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Der Strand von Falesa

Der Strand von Falesa

Titel: Der Strand von Falesa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Dienst Nummer zwei!« sagte ich. »Ich möchte jetzt Ihnen unsere Geschichte erzählen und mal sehen, ob Sie ein bißchen Licht hineinbringen können.«
    »Ist sie lang?« fragte er.
    »Ja!« rief ich. »Es ist ein niedlich langes Garn abzuspinnen!«
    »Nun, Sie sollen alle Zeit haben, die ich entbehren kann«, sagte er und sah auf seine Uhr. »Aber ich muß Ihnen offen sagen, ich habe seit heute früh um fünf Uhr nichts gegessen, und wenn Sie mir nicht etwas geben können, werde ich wahrscheinlich vor heute abend um sieben oder um acht nichts zu essen bekommen.«
    »Herrgott noch mal, Sie sollen bei uns zu Mittag essen!« rief ich.
    Ich kriegte selber einen kleinen Schreck über mein Fluchen gerade in diesem Augenblick, wo alles in Ordnung zu kommen schien; der Missionar, glaube ich, ebenfalls, aber er tat, wie wenn er aus dem Fenster sähe, und dankte uns.
    Wir machten ihm also ein bißchen Essen zurecht. Ich mußte meine alte Dame dabei mitwirken lassen, denn sie war stolz darauf, und so übertrug ich denn ihr die Aufgabe, den Tee zu brauen. Ich glaube, einen solchen Tee, wie sie zustande brachte, habe ich in meinem Leben nicht gesehen. Aber das war noch nicht das Schlimmste, denn sie machte sich über das Salzfaß her, da sie Salz für ein besonders kostbares Gewürz für einen Europäer hielt, und machte auf diese Weise aus meiner Brühe Meerwasser. Alles in allem genommen, kriegte Herr Tarleton einen höllischen Fraß; aber er hatte viel Unterhaltung als Zugabe, denn während der ganzen Zeit, da wir kochten, und nachher, als er so tat, als ob er äße, erzählte ich ihm die Geschichte von Meister Case und dem Strand von Falesa, und er stellte dabei Fragen, aus denen ich sah, daß er genau aufpaßte.
    »Hm«, sagte er zuletzt, »ich fürchte, Sie haben einen gefährlichen Feind. Dieser Case ist sehr schlau und scheint in der Tat ein bösartiger Schuft zu sein. Ich muß Ihnen sagen, daß ich schon seit fast einem Jahr ein Auge auf ihn habe und daß ich nicht besonders gut dabei weggekommen bin, als wir zusammenstießen. Ungefähr um die Zeit, als der letzte Vertreter Ihrer Firma so plötzlich davonlief, bekam ich einen Brief von dem Kanakenpastor Namu: Er bat mich, sobald es mir paßte, nach Falesa zu kommen, denn seine Gemeinde ›nehme katholische Bräuche an‹. Ich hatte großes Vertrauen zu Namu; ich fürchte, das zeigt nur, wie leicht wir uns täuschen lassen. Man konnte ihn nicht predigen hören, ohne überzeugt zu sein, daß er ein Mensch von außergewöhnlicher Begabung sei. Alle unsere Insulaner lernen leicht eine Art Beredsamkeit und können dann mit vieler Kraft und Phantasie Predigten herleiern, die sie aus zweiter Hand haben; aber Namu macht seine Predigten selber, und ich kann nicht leugnen, daß ich sie als wirksame Gnadenmittel angesehen habe. Zudem hat er eine scharfe Aufmerksamkeit für weltliche Angelegenheiten, scheut sich nicht vor Arbeit, ist ein geschickter Zimmermann und hat sich unter den Pastoren der Nachbarschaft so großen Respekt verschafft, daß wir ihn im Scherz, der aber halb und halb Ernst ist, den Bischof des Ostens nennen. Kurz und gut, ich war stolz auf den Mann; um so mehr gab sein Brief mir zu denken, und ich ergriff eine Gelegenheit, um hierherzukommen. Am Morgen vor meiner Ankunft war Vigours an Bord der ›Lion‹ gegangen, und Namu war vollkommen beruhigt, schämte sich offenbar wegen seines Briefes und hatte gar keine Lust, mir diesen zu erklären. Das konnte ich ihm natürlich nicht so hingehen lassen, und schließlich beichtete er mir denn auch, es habe ihm große Sorgen gemacht, daß seine Leute auf katholische Weise das Kreuz schlügen; seitdem habe er aber die Erklärung dafür erhalten und sei jetzt vollkommen darüber beruhigt. Vigours habe nämlich den ›Bösen Blick‹ gehabt – eine Eigenschaft, die in einem Lande Europas, genannt Italien – häufig vorkomme, wo oftmals Menschen von dieser Art von Teufeln getötet würden, und wie es scheine, sei das Zeichen des Kreuzes ein Zaubermittel gegen den ›Bösen Blick‹.
    ›Und ich erkläre es mir, Misi‹, sagte Namu, ›auf diese Weise: Dieses Land in Europa ist ein papistisches Land, und der Teufel des Bösen Blicks mag wohl ein katholischer Teufel sein oder wenigstens mit katholischen Bräuchen Bescheid wissen. Ich überlegte mir also folgendes: Wenn dieses Zeichen des Kreuzes auf papistische Art gebraucht würde, dann würde es sündhaft sein; wenn es aber nur angewandt wird, um Menschen vor einem Teufel

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