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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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aber wenn er morgen vor ihren Augen ermordet werden würde, würden ihre Hände genauso schlaff herunterhängen, und ihre Augen würden wegschauen und fragen: „Wer bin ich, dass es mir zustünde zu handeln?“
    „Die Einheit von Handlung und Ziel“, sagte Mouch, „wird uns eine glücklichere Welt bescheren. …“
    Mr. Thompson lehnte sich vor und flüsterte Galt mit einem liebenswürdigen Lächeln zu: „Sie werden nachher ein paar Worte an die Nation richten müssen, nach mir. Nein, nein, keine lange Rede, nur einen oder zwei Sätze, nicht mehr. Nur ‚Hallo Leute‘ oder irgendetwas in dieser Art, sodass sie Ihre Stimme erkennen können.“ Der leicht verstärkte Druck des Pistolenlaufs seines „Sekretärs“ auf Galts Rippen fügte eine stumme Erklärung hinzu. Galt antwortete nicht.
    „Der John-Galt-Plan“, sagte Wesley Mouch, „wird sämtliche Konflikte aus dem Weg räumen. Er wird das Eigentum der Wohlhabenden schützen und zugleich den Armen einen höheren Anteil zukommen lassen. Er wird Ihre Steuerlast senken und Ihnen zusätzliche staatliche Beihilfen sichern. Er wird die Preise senken und die Löhne erhöhen. Er wird dem Einzelnen mehr Freiheit einräumen und zugleich die Bande gemeinsamer Verpflichtungen festigen. Er wird die Effizienz freien Unternehmertums mit der Großzügigkeit einer Planwirtschaft verbinden.“
    Dagny fielen einige Gesichter auf – sie konnte es kaum glauben –, die Galt hasserfüllt anblickten. Das galt auch für Jim, bemerkte sie. Solange die Kamera auf Mouch gerichtet war, entspannten sich diese Gesichter in gelangweilter Zufriedenheit, die keine Freude verriet, sondern die beruhigende Gewissheit, dass man nichts von ihnen verlangte und dass nichts Bestand hatte oder sicher war. Sobald aber die Kamera flüchtig Galts Bild zeigte, pressten sie ihre Lippen zusammen, und ihre Züge spannten sich mit einem Ausdruck besonderer Vorsicht an. Mit plötzlicher Gewissheit spürte sie, dass sie sich vor der Geradlinigkeit seines Gesichts fürchteten, vor der unbeugsamen Klarheit seiner Züge, vor dem Blick, der sein Wesen ausdrückte, vor einem Blick selbstgewisser Existenz. Sie hassen ihn um seiner selbst willen, dachte sie, und es überfiel sie ein kaltes Entsetzen, als ihr das Wesen ihrer Seelen bewusst wurde – sie hassen ihn aufgrund seiner Fähigkeit zu leben. Wollen sie leben?, dachte sie und amüsierte sich über sich selbst. Sie war wie betäubt, und doch erinnerte sie sich an den Klang seiner Worte: „Das Verlangen, nichts Bestimmtes zu sein, ist das Verlangen, nicht zu sein.“
    Nun brüllte Mr. Thompson in seiner lebhaftesten und volkstümlichsten Art ins Mikrofon: „Und ich sage Ihnen: Verpassen Sie all jenen Zweiflern, die Zwietracht und Furcht verbreiten, einen Schlag ins Gesicht! Sie haben Ihnen erzählt, John Galt würde sich uns niemals anschließen, stimmt’s? Nun, hier ist er, höchstpersönlich, aus freien Stücken, an diesem Tisch und an der Spitze unseres Staates! Bereit, willens und fähig, der Sache des Volkes zu dienen! Möge niemand unter Ihnen jemals wieder zweifeln, davonlaufen oder aufgeben! Die Zukunft hat begonnen – und was für eine Zukunft! Mit drei Mahlzeiten am Tag für jedermann auf Erden, mit einem Auto in jeder Garage und mit kostenfreiem Strom, der von einer Art Motor generiert wird, die wir noch nie zu Gesicht bekommen haben! Sie müssen sich nur noch ein kleines Weilchen gedulden! Geduld, Vertrauen und Einigkeit – so lautet die Formel für Fortschritt! Wir müssen sowohl als Land geeint dastehen als uns auch mit dem Rest der Welt verbünden, als eine große, glückliche Familie, die sich gemeinsam für das Wohl aller einsetzt! Wir haben einen Anführer gefunden, der uns dazu verhelfen wird, den Wohlstand und die Geschäftigkeit unserer reichsten und tüchtigsten vergangenen Zeiten zu übertreffen! Seine Liebe zur Menschheit hat ihn hierher geführt, um Ihnen zu dienen, um Sie zu schützen und um sich um Sie zu kümmern! Er hat Ihre flehentlichen Bitten vernommen und den Ruf unserer gemeinsamen menschlichen Pflicht erhört! Jeder ist seines Bruders Hüter! Niemand steht für sich allein! Und nun werden Sie seine Stimme hören, nun werden Sie seine eigene Botschaft hören! … Meine Damen und Herren“, sagte er feierlich, „John Galt richtet sich hiermit an die gesamte Menschheitsfamilie!“
    Die Kamera schwenkte auf Galt. Er blieb einen Augenblick lang still. Dann stand er so zügig und gewandt auf, dass die Hand seines Sekretärs

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