Der stumme Handlungsreisende
wählte eine kurze Nummer auf dem
Haustelefon und wartete, während am anderen
Ende der Leitung jemand Dr. Merom ans Telefon rief. »Marcia?«
sagte er. »Hier ist Jay. Ich weiß, du hast alle Hände
voll zu tun, aber ich habe hier unten einen Mann, der gern mit dir darüber
sprechen würde, warum Mr. Pighee in der Klinik nicht besucht werden
darf.« Er hielt inne. »Repräsentiert ein Mitglied der
Familie… Nein. Die Schwester, glaube ich.« Ich nickte. Sie
schien eine Frage gestellt zu haben, denn er sah mich an und sagte:
»Ich glaube nicht, daß es irgendwelche Schwierigkeiten gibt.
Es scheint in Ordnung zu sein.«
Während ich darauf
wartete, daß Dr. Merom herunterkam, beschloß ich, mich so umständlich
zu geben, wie ich nur konnte.
Dundree machte ein Gespräch
jedoch sehr schwierig, denn er stellte sich in die Tür seines Büros.
Das peinliche Schweigen ließ die Wartezeit ziemlich lang erscheinen.
Endlich kam er zurück
ins Zimmer und sagte: »Da kommt sie.«
Ein ungeheuer großer
Mann mit gelocktem, flachsblondem Haar trat in das Büro. »Wo
ist der Bursche?« sagte er streitlustig zu Dundree, obwohl ich die
einzige andere Person im Raum war. Wahrscheinlich übersah man von
seiner Höhe aus - etwa einsneunzig oder -fünfundneunzig - schon
mal jemanden.
»Es ist Marcia, die wir
sprechen wollten, Lee«, sagte Dundree gereizt.
Der große Mann schien
nicht weiter beeindruckt zu sein, und hinter ihm trat nun eine kleine Frau
in einem schmutzigen Laborkittel ins Zimmer. Sie war um die dreißig
und hatte langes, braunes Haar.
»Das ist Dr. Merom«,
sagte Dundree. »Und das« - der große Mann - »ist
Lee Seafield, ein Kollege von John Pighee. Wir sind natürlich alle an
allem interessiert, was John angeht.«
»Können wir es
kurz machen?« fragte Dr. Merom. »Ich stecke mitten zwischen
zwei Reagenzgläsern.«
Ich wußte nicht, ob sie
einen Scherz machen wollte oder nicht. Also sagte ich nur: »Ich möchte
lediglich herausfinden, warum John Pighees Schwester ihren Bruder nicht im
Krankenhaus besuchen darf.«
»Weil Dr. Merom es sagt«,
erwiderte Seafield scharf.
»Er ist sehr schwer
verletzt worden«, sagte Dr. Merom.
»Und Besucher könnten
ihm schaden«, sagte Seafield.
»Wir machen uns Sorgen
wegen einer möglichen Infektion«, meinte Dr. Merom. »Sein
Zustand ist stabil, aber schon eine Kleinigkeit könnte ihn aus dem
Gleichgewicht bringen.«
»Außerdem«,
sagte Seafield spöttisch, »wer will schon jemanden besuchen,
der im Koma liegt?«
»John Pighee liegt im
Koma?« sagte ich.
»Ja«, antwortete
Dr. Merom. »Er ist seit seiner Einlieferung bei uns ohne Bewußtsein.«
»Seit sieben Monaten?«
fragte ich.
»Er hat seit dem Unfall
nicht ein einziges Mal wieder das Bewußtsein erlangt. Wußten
Sie das nicht?«
»Das hat meine Klientin
mir nicht gesagt«, gab ich zu.
»Wenn es darum ginge,
daß irgendwelche Besucher ihn moralisch unterstützen müßten«,
sagte Dundree mit honigsüßer Stimme, »oder seinen
Lebenswillen aufrechterhalten, dann läge die Sache vielleicht anders.
Ist es nicht so, Marcia?«
Ich fragte: »Und was
ist mit moralischer Unterstützung für seine Verwandten?«
»Der Patient kommt an
erster Stelle«, sagte Dr. Merom.
»Der Patient muß
an erster Stelle kommen«, kam das Echo von Dundree.
Seafield stand daneben und
nickte.
»Wie würden Sie
Pighees Chancen, sich wieder zu erholen, einschätzen?« fragte
ich.
»Das ist schwer zu
sagen«, sagte Dr. Merom.
»Wir tun jedenfalls
unser Bestes«, sagte Dundree.
»Ist das alles?«
fragte Dr. Merom. »Kann ich jetzt wieder nach oben gehen?«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Ich will auf keinen Fall den Fortschritt der medizinischen
Wissenschaft verzögern«, sagte ich.
»Ach verflixt, nun komm
schon, Marcia«, sagte Seafield und ging. Sie folgte ihm.
Dundree setzte sich an seinen
Schreibtisch. »Ich hoffe, wir konnten Ihnen ein wenig weiterhelfen.«
»Ich werde Pighees
Schwester Bericht erstatten und sehen, was sie dazu zu sagen hat«,
meinte ich.
»Nun, das ist gut«,
sagte er. »Das ist gut!« Er schien sehr mit sich zufrieden zu
sein.
4
Von Loftus aus fuhr ich zurück
in mein Büro. Nur für den Fall, daß sich dort eine lange
Schlange rabattsuchender Klienten die Treppe hinunter und bis auf die Straße
erstrecken sollte.
Oder jedenfalls vielleicht
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