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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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wählte eine kurze Nummer auf dem
     Haustelefon und wartete, während am anderen
     Ende der Leitung jemand Dr. Merom ans Telefon rief. »Marcia?«
     sagte er. »Hier ist Jay. Ich weiß, du hast alle Hände
     voll zu tun, aber ich habe hier unten einen Mann, der gern mit dir darüber
     sprechen würde, warum Mr. Pighee in der Klinik nicht besucht werden
     darf.« Er hielt inne. »Repräsentiert ein Mitglied der
     Familie… Nein. Die Schwester, glaube ich.« Ich nickte. Sie
     schien eine Frage gestellt zu haben, denn er sah mich an und sagte:
     »Ich glaube nicht, daß es irgendwelche Schwierigkeiten gibt.
     Es scheint in Ordnung zu sein.«
    Während ich darauf
     wartete, daß Dr. Merom herunterkam, beschloß ich, mich so umständlich
     zu geben, wie ich nur konnte.
    Dundree machte ein Gespräch
     jedoch sehr schwierig, denn er stellte sich in die Tür seines Büros.
     Das peinliche Schweigen ließ die Wartezeit ziemlich lang erscheinen.
    Endlich kam er zurück
     ins Zimmer und sagte: »Da kommt sie.«
    Ein ungeheuer großer
     Mann mit gelocktem, flachsblondem Haar trat in das Büro. »Wo
     ist der Bursche?« sagte er streitlustig zu Dundree, obwohl ich die
     einzige andere Person im Raum war. Wahrscheinlich übersah man von
     seiner Höhe aus - etwa einsneunzig oder -fünfundneunzig - schon
     mal jemanden.
    »Es ist Marcia, die wir
     sprechen wollten, Lee«, sagte Dundree gereizt.
    Der große Mann schien
     nicht weiter beeindruckt zu sein, und hinter ihm trat nun eine kleine Frau
     in einem schmutzigen Laborkittel ins Zimmer. Sie war um die dreißig
     und hatte langes, braunes Haar.
    »Das ist Dr. Merom«,
     sagte Dundree. »Und das« - der große Mann - »ist
     Lee Seafield, ein Kollege von John Pighee. Wir sind natürlich alle an
     allem interessiert, was John angeht.«
    »Können wir es
     kurz machen?« fragte Dr. Merom. »Ich stecke mitten zwischen
     zwei Reagenzgläsern.«
    Ich wußte nicht, ob sie
     einen Scherz machen wollte oder nicht. Also sagte ich nur: »Ich möchte
     lediglich herausfinden, warum John Pighees Schwester ihren Bruder nicht im
     Krankenhaus besuchen darf.«
    »Weil Dr. Merom es sagt«,
     erwiderte Seafield scharf.
    »Er ist sehr schwer
     verletzt worden«, sagte Dr. Merom. 
    »Und Besucher könnten
     ihm schaden«, sagte Seafield.
    »Wir machen uns Sorgen
     wegen einer möglichen Infektion«, meinte Dr. Merom. »Sein
     Zustand ist stabil, aber schon eine Kleinigkeit könnte ihn aus dem
     Gleichgewicht bringen.«    
    »Außerdem«,
     sagte Seafield spöttisch, »wer will schon jemanden besuchen,
     der im Koma liegt?«
    »John Pighee liegt im
     Koma?« sagte ich.
    »Ja«, antwortete
     Dr. Merom. »Er ist seit seiner Einlieferung bei uns ohne Bewußtsein.«
    »Seit sieben Monaten?«
     fragte ich.
    »Er hat seit dem Unfall
     nicht ein einziges Mal wieder das Bewußtsein erlangt. Wußten
     Sie das nicht?«   
    »Das hat meine Klientin
     mir nicht gesagt«, gab ich zu.
    »Wenn es darum ginge,
     daß irgendwelche Besucher ihn moralisch unterstützen müßten«,
     sagte Dundree mit honigsüßer Stimme, »oder seinen
     Lebenswillen aufrechterhalten, dann läge die Sache vielleicht anders.
     Ist es nicht so, Marcia?«
    Ich fragte: »Und was
     ist mit moralischer Unterstützung für seine Verwandten?«
    »Der Patient kommt an
     erster Stelle«, sagte Dr. Merom.
    »Der Patient muß
     an erster Stelle kommen«, kam das Echo von Dundree.
    Seafield stand daneben und
     nickte.
    »Wie würden Sie
     Pighees Chancen, sich wieder zu erholen, einschätzen?« fragte
     ich.
    »Das ist schwer zu
     sagen«, sagte Dr. Merom.
    »Wir tun jedenfalls
     unser Bestes«, sagte Dundree.
    »Ist das alles?«
     fragte Dr. Merom. »Kann ich jetzt wieder nach oben gehen?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
     »Ich will auf keinen Fall den Fortschritt der medizinischen
     Wissenschaft verzögern«, sagte ich.
    »Ach verflixt, nun komm
     schon, Marcia«, sagte Seafield und ging. Sie folgte ihm.
    Dundree setzte sich an seinen
     Schreibtisch. »Ich hoffe, wir konnten Ihnen ein wenig weiterhelfen.«
    »Ich werde Pighees
     Schwester Bericht erstatten und sehen, was sie dazu zu sagen hat«,
     meinte ich.
    »Nun, das ist gut«,
     sagte er. »Das ist gut!« Er schien sehr mit sich zufrieden zu
     sein.

 
    4
    Von Loftus aus fuhr ich zurück
     in mein Büro. Nur für den Fall, daß sich dort eine lange
     Schlange rabattsuchender Klienten die Treppe hinunter und bis auf die Straße
     erstrecken sollte.
    Oder jedenfalls vielleicht
    

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