Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
Vom Netzwerk:
geben.
    Das änderte sich
     schlagartig. Weil ich dem Wunschdenken anheimgefallen war… weil ich
     in einen ergebenen Gemütszustand gedriftet war. Der von der Annahme
     ausging, daß er mir nichts wirklich Schlimmes antun würde, wenn
     ich mich nicht wehrte.
    Aber der Mann war ein Mörder.
     Und es konnte kaum ein Zweifel daran bestehen, daß er mich für
     die nächste Kerbe auf seinem metaphorischen Revolver vorgesehen
     hatte.
    Mein Gott!
    Aus seiner Tasche zog
     Seafield einige Schlüssel und öffnete die Hintertür.
    Denk nach! Denk! Schlüssel
     bedeuteten, daß Marcia Merom nicht zu Hause war. Schlüssel
     bedeuteten, daß Marcia Merom kooperierte.
    Ich rief durch mein Klebeband
     um Hilfe - »Mmmm-fmdmdmgmmdhfkdkfmmm« -, als Seafield mich in
     das Apartment hineinzog. Es hörte sich nicht sehr laut an. Das
     einzige, was ein solches Geräusch zur Folge haben konnte, war die
     Aufmerksamkeit der Nachbarkatze.
    Nachdem er die Tür
     hinter uns geschlossen hatte, sagte Seafield: »Weiter«, und führte
     mich durch das Wohnzimmer. Dann schaltete er das Licht ein, stellte mich
     gegen die Badezimmertür und schob mich nach unten auf den Fußboden.
    Er selbst ging zurück in
     die Küche.
    Ich verschwendete keine Zeit,
     rappelte mich auf und ging zum Telefon. Dort mußte ich mich beinahe
     auf den Hörer setzen, um ihn mit hinter dem Rücken gefesselten Händen
     abnehmen zu können. Ich schaffte es, den Hörer auf den Tisch zu befördern und
     hockte mich dann über die Wählscheibe. Ich tastete nach der
     Null, um die Vermittlung zu wählen, bekam einen Finger hinein und
     schaffte es tatsächlich schon beim ersten Versuch, die Wählscheibe
     ganz herumzudrehen.
    Dann drehte ich mich herum
     und hockte mich neben den Hörer, der flach auf dem Tisch lag.
    Eine hohe Stimme sagte:
     »Vermittlung. Was wünschen Sie- Kaffee, Tee oder mich?«
    Die Stimme kam vom Kücheneingang.
     Dort stand, lässig gegen den Türrahmen gelehnt, Seafield. Er
     beobachtete mich und versuchte nicht einmal, seine Heiterkeit zu unterdrücken.
    »Bißchen unbequem
     für Sie, wie?« fragte er. »Lassen Sie mich den Hörer
     für Sie halten.«
    Er kam zum Tisch und hielt
     mir den Hörer an Ohr und Mund. »Weiter«, drängte er
     mich, »weiter.«
    Das Telefon war tot. Ich
     wandte mich ab.
    »Genau«, sagte
     Seafield und schwenkte das Instrument vor meiner Nase hin und her.
    »Das letzte Mal, als
     wir hier waren, wollten Sie einen Anruf machen, und ich habe die Leitung
     aus der Wand gezogen. Und es ist bisher nicht repariert worden, oder?«
    »Mmmrrrmmph.«
    »Nein, es ist nicht
     repariert worden. Sie glauben doch nicht, ich würde so etwas
     vergessen, oder?«
    Er rollte mich auf den Fußboden.
     »Mmrrr.«
    »Aber«, sagte er,
     »jetzt werde ich das Telefon reparieren. Verstehen Sie mich nicht
     falsch, Cowboy. Ich repariere es nicht für Sie. Aber das nächste
     Mal, wenn Sie glauben, Sie hätten eine Chance, dann wird es
     wenigstens nicht tot sein. Kann allerdings nicht behaupten, daß man
     dasselbe dann auch noch von Ihnen sagen wird.«
    Ich sah zu, wie er die Drähte,
     die er am Tag zuvor aus der Wand gerissen hatte, wieder miteinander
     verband.
    Als er fertig war, hielt er
     den kleinen Schraubenzieher, den er benutzt hatte, in die Höhe und
     sagte: »Sehen Sie? Alles fein repariert.«
    Dann ging er ans Telefon. Ich
     zog und zerrte an den Seilen um meine Handgelenke, versuchte, sie ein
     klein wenig zu lockern, irgendeine Möglichkeit zu finden, mich
     freizuzappeln. Zum zehnten Male mißlang es mir.
    Er wählte eine Nummer.
     »Ich bin’s«, sagte er. »Henry sagt, es bleibt uns
     nichts anderes übrig, als den Unrat zu beseitigen. Du sollst dabei
     helfen.« Er hielt inne und sagte dann scharf: »Komm sofort
     her, aber dalli!«
    Er warf den Hörer auf
     die Gabel und ging in die Küche.
    Ich hob mich mühsam auf
     die Knie und manövrierte mich ein weiteres Mal zum Telefon.
    Seafield tauchte wieder im
     Eingang auf und sah mich an. »Sie sind ganz schön mutig für
     einen alten Kerl«, sagte er kopfschüttelnd.
    Dann kam er zurück ins
     Zimmer und zog das Telefonkabel heraus. Bevor er wieder in die Küche
     ging, trat er mich noch in den Magen.
    Das war wirklich nicht sehr
     nett von ihm.
    Ich hörte, wie er die
     Hintertür öffnete und hinausging. Aber einen Augenblick später
     war er schon zurück. Und dann war er wieder bei mir im Wohnzimmer. Er
     trug ein Stück von einem Zementblock auf einer Zeitung,

Weitere Kostenlose Bücher