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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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etwas Zeit, Cowboy.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Weil
     wir warten müssen, bis es spät genug für die Dame ist, ins
     Bett gegangen zu sein.«
    Und sie setzten auch alles
     dran, damit das Bett so aussah, als hätte jemand es benutzt. Seafield
     beschloß, Marcia Merom dabei zu helfen, aber nicht ohne vorher
     meinen Beinen wieder ihre Beweglichkeit genommen zu haben. Er fesselte sie
     und zog eine Schlinge von ihnen bis zur Schlafzimmertür. Die Theorie
     dahinter war, daß ich, falls es mir gelingen sollte freizukommen,
     das nicht würde tun können, ohne die Tür zuzuschlagen und
     ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
    Ich habe einmal ein Buch
     über Houdini gelesen, in dem stand, daß er, wenn man ihn
     fesselte, die Muskeln anspannte. Auf diese Weise hatte er nachher bei
     seinem Befreiungsversuch etwas Spielraum. Also spannte ich meine Muskeln
     an, als Seafield mir die Füße fesselte. Unglücklicherweise
     bin ich nicht Floudini.
    Das einzige, was bei meinen
     Anstrengungen herauskam, war, daß ich mir den Kopf am Fußboden
     aufschlug und der Tür einen Stoß versetzte. Und meine Fesseln
     so sehr anspannte, daß sie Abdrücke auf den Teilen meines Körpers
     hinterlassen würden, die sie in ihrer Beweglichkeit hemmten.
    Aber kein Nachbar beschwerte
     sich. Und ich war nicht übermäßig erpicht darauf, Abdrücke
     zu hinterlassen, die später den Blick
     des Coroners auf sich ziehen konnten. Nach einer Weile ruhte ich mich
     einfach nur aus. Irgendwann würde er meine Fesseln schon lösen müssen.
    Und ich bekam mehr Ruhe als
     er.
    Es war beinahe Mitternacht,
     als er seine Aufmerksamkeit wieder mir zuwandte. Er löste die Fesseln
     an meinen Füßen und steckte das Seil in die Tasche. Dann
     stellte er mich brutal auf die Füße. Einen Augenblick lang
     befand sich kein einziger Tropfen Blut mehr in meinem Kopf. Ich stöhnte.
     Er hatte kein Mitleid.
    Er stellte mich gegen die
     Wand und schlug mir zweimal in den Magen, einmal mit jeder Hand. Die Fäuste
     fühlten sich an wie Fleischklopfer. Dabei war ich doch bereits ganz
     zart.
    Dann brachte er mich in die Küche
     und schnitt die Fesseln an meinen Händen auf. 
    Während ich benommen
     dastand und mir die Handgelenke rieb, öffnete er bereits die Hintertür.
    Dann zog er mich am rechten
     Arm mit sich. »Machen Sie eine Faust«, sagte er.
    Ich wollte nicht. Also drückte
     er die Rückseite meiner offenen Hand durch die unterste
     Fensterscheibe. Dann brachte er mich wieder herein und schloß die Tür.
     Er warf einen Blick auf meine Hand. Sie war nicht zerschnitten genug, um
     ihn zufriedenzustellen. Also rieb er sie in dem Glas auf dem Fußboden.
     Das stellte ihn zufrieden.
    »Und jetzt weiter«,
     sagte er und führte mich zurück ins Wohnzimmer.
    Schließlich zerrte ich
     an dem Klebeband über meinem Mund und riß es ab.
    »Das ist lächerlich«,
     sagte ich.
    Er schob mich durch die Tür
     in das andere Zimmer hinein.
    »Damit kommen Sie nie
     durch«, sagte ich, immer schnell bei der Hand mit einer gelungenen
     Platitüde.
    »Dann wird das Ihr
     Trost sein«, sagte Seafield zu mir.
    Ich sah einen Schatten hinter
     mir und drehte mich zu Marcia Merom um, die ihre leere Weinflasche
     schwang. Ihrem Blick entnahm ich, daß sie den Dingen erwartungsvoll
     entgegensah.
    Was schlecht war. Ich hatte
     gehofft, ihr anfängliches Zögern wäre ein echter Widerwille
     dagegen, einen Mord zu begehen. Aber sie tat, was man ihr sagte. Sie nahm
     Befehle entgegen. Und das war schlecht für mich. »Willst du das
     jetzt haben, Lee?« fragte sie.
    »Gut«, sagte er.
     Er nahm die Flasche. Und er nahm zur Kenntnis, daß sie jetzt
     vollkommen bei der Sache war. »Geh und zieh dir ein Nachthemd über«,
     fuhr er sie an.
    Sie drehte sich um, zögerte
     jedoch. »Tu nichts, bis ich wieder da bin.«
    »Dann mach schnell.«
    Sie hüpfte ins
     Schlafzimmer. Das war die Frau, die panische Angst vor Seafield gehabt
     hatte, als sie mich bei meinem Einbruch ertappte. Sie hatte ihn gefürchtet.
     Aber das alles war nur Teil einer größeren Realität, die
     darin bestand, daß sie sich immer zu der Seite hingezogen fühlte,
     die die größte Gewalt ausübte. Das verriet mir mehr über
     John Pighee, als ich bei meinen ganzen Nachforschungen über ihn in
     Erfahrung gebracht hatte.
    Und es verriet mir auch, wie
     ich die Sache angehen mußte. Wenn es
     Macht und Angst waren, die sie faszinierten, und wenn Seafield das eine
     davon ausübte, das andere

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