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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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stellte es auf den Fußboden und
     verschwand wieder in der Küche. Als er sich dann wieder zu mir
     gesellte, hatte er eine dicke, leere Weinflasche aus Glas in der Hand.
     »Das wird den Zweck erfüllen, meinen Sie nicht auch?«
     sagte er.
    »Mmmmnnnrmmn«,
     sagte ich in einem beschwichtigenden Tonfall. Einladend hob und senkte ich
     die Augenbrauen. Ich wollte reden.
    »Nur über meine
     Leiche«, sagte er.
    Ich mochte es gar nicht, wenn
     er sich über den Tod ausließ, also fragte ich noch einmal:
     »Mmmmrph?«
    »Sie waren eine solche
     verdammte Nervensäge«, sagte er und schwenkte die Flasche in
     meine Richtung. »Es ist schwer, geduldig zu sein. Und ganz egal, was
     jetzt passiert, Sie sind hingegangen und haben die schönste
     Organisation kaputtgemacht, über die ein armer Junge vom Lande jemals
     stolpern konnte.« 
    »Mmm?«
    »O ja, Sie haben
     bekommen, was Sie wollten. Sie haben es kaputtgemacht. Jetzt, wo die Leute
     Fragen stellen, kann es unmöglich länger geheim bleiben. Aber
     Sie sollten den Erfolg auf keinen Fall ganz für sich verbuchen. Die
     Leute sind einfach nicht mehr so versessen darauf, ihre Vaterlandspflicht
     zu erfüllen, wie sie es waren, als wir anfingen.« Er schüttelte
     den Kopf. »Ja«, sagte er. »Es ist alles im Eimer. Und
     Sie gleich auch.«
    »Mmmnn?«
    »Sie sollten es besser
     glauben, Cowboy.«
    Trotz weiterer, ebenso
     eloquenter wie flehender Beiträge meinerseits, sagte er nichts mehr.
     Bis Marcia Merom ankam.

 
    41
    Seafield teilte seine Zeit
     gerecht zwischen zwei Aktivitäten auf: Entweder saß er in einem
     Sessel, oder er ging im Zimmer auf und ab. Dann hörten wir einen Schlüssel
     in einem der Schlösser an der Wohnungstür. Seafield stand auf,
     um sie direkt an der Tür abzufangen.       
    Marcia Merom trat ein. Er zog
     sie brutal ins Zimmer und verschloß die Tür hinter ihr.
    »Hallo, Schätzchen«,
     sagte er. Turmhoch und drohend stand er über ihr. Mit seiner linken
     Hand umfaßte er ihr langes Haar und zog es herab, so daß sie
     ihn direkt ansehen mußte. Die rechte Hand legte er zwischen ihre
     Beine und zog sie auf die Zehenspitzen, um sie brutal zu küssen.
    Etwa auf der Hälfte der
     langen Begrüßung legte sie locker ihre Hände auf seine
     Taille.
    Nachdem er sie losgelassen
     hatte, wandte Seafield sich wieder mir zu und bedachte mich mit einem anzüglichen
     Grinsen. Das letzte Mal, als wir drei uns in diesem Zimmer begegnet waren,
     hatte er einen Rückzieher machen müssen. Jetzt zeigte er mir,
     wer der Herr im Hause war, wer hier der Platzhirsch war.
    Über mir stehend schien
     er überhaupt kein Ende nehmen zu wollen, als ich an ihm emporblickte,
     ein Mann wie ein Gewehr, der mir zeigte, daß sein Abzug ganz ohne
     Zweifel unterhalb der Gürtellinie lag.
    Ich bemühte mich um eine
     gelangweilte Miene. Es ist schwer, etwas anderes zu versuchen, mit Knebel
     im Mund und auf dem Rücken gefesselten Händen.
    Seafield war noch nicht
     fertig. »Zieh dich aus«, sagte er zu Marcia Merom.
    Sie zögerte.
    Er machte einen kleinen
     Schritt auf sie zu, wobei er mit wenigen Zentimetern extreme körperliche
     Gewalt ausstrahlte.
    Sie zog sich aus.
    Er setzte sich wieder auf den
     Sessel und sah ihr eine Weile dabei zu. Dann sagte er: »Die Idee ist
     folgende. Du bist gerade aus dem Bett gekommen. Du hast jemanden hier draußen
     gehört, und es zeigt sich, daß es dieser böse Mann ist,
     der in dein Apartment eingebrochen ist.«
    »Mmmrnnnrmmn«,
     sagte ich.
    Er ignorierte mich und fuhr
     fort: »Zu deinem Schutz bewahrst du diese leere Flasche neben deinem
     Bett auf. Wenn du herauskommst, um nachzusehen, was das für ein Geräusch
     war, nimmst du die Flasche mit. Weil er so ein Feigling ist, versucht er
     wegzulaufen. Aber an der Hintertür, auf dem Balkon, holst du ihn ein
     und schlägst zu. Er stolpert, fällt über das Geländer
     und schlägt sich auf dem Zementblock, der dort zufällig
     herumliegt, den Kopf auf.« Er drehte sich zu mir um. »Wirklich
     Pech, Cowboy.«
    Er überließ mein
     Pech keinem Zufall.
    »Aber Lee…«,
     sagte Marcia Merom weinerlich.
    Er schnitt ihr das Wort ab.
     »Halt den Mund. Genauso wird es gemacht. Nachdem es passiert ist,
     rufst du wie eine gute Bürgerin die Polizei an.«
    Sie sah nicht besonders glücklich
     aus. Er warf ihr einen wilden Blick zu. »Na gut, ich mach’s«,
     sagte sie.
    »Und ob du’s
     machst.« Dann drehte er sich wieder zu mir um. »Aber du hast
     noch

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