Der stumme Handlungsreisende
jemanden herholen, der an mir
herumdokterte, oder einfach abwarten. Die Unentschlossenheit ließ
sie warten. Und ich sank langsam wieder in Schlaf.
*
Später am Nachmittag
wachte ich dann richtig auf. Ich bat eine Schwester, mir jemanden zu
schicken, der etwas zu sagen hatte. Ich hatte die Oberschwester im Sinn.
Statt dessen schickte sie mir Miller.
»Bist du bereit, eine
Aussage zu machen?« fragte er.
»Ich habe nachgedacht«,
sagte ich.
»Ich kann verstehen, daß
du jemanden dahaben wolltest, der dieses Ereignis festhält.«
»John Pighees Frau,
Linn Pighee. Sie ist vor ein paar Tagen gestorben.«
»Das habe ich gehört«,
sagte Miller.
»Ich muß mit dem
Mann reden, der die Autopsie gemacht hat.«
»Du mußt! Wer zum
Teufel bist du eigentlich?«
»Ich muß wissen,
warum sie gestorben ist.«
»Hast du sie vielleicht
auch erschossen oder so etwas?«
»Sieh mal«, sagte
ich, »ich werde keine Aussage machen, bis du es arrangiert hast, daß
der Mann, der die Autopsie gemacht hat, hierherkommt.«
»Angeblich werden die
Menschen, wenn sie in dein Alter kommen, weicher.«
»Oder sie werden
streitsüchtiger. Ich fühle mich ziemlich streitsüchtig.«
»Na schön, na schön.
Ich werd’s arrangieren. Aber sieh zu, daß du wieder zu Kräften
kommst. Draußen ist ein Stenograf. Wenn ich zurückkomme, werden
wir deine Aussage aufnehmen. Bevor du dich auch noch erschießt. Du
hast in letzter Zeit ja so ziemlich jeden erschossen.«
*
Vierzig Minuten später,
gestärkt durch ein Glas Orangensaft, begann ich, ihnen Schritt für
Schritt zu erzählen, wie ich von Mrs. Thomas engagiert worden war und
wie ich auf diese Weise an die Leute herangekommen war, mit denen John
Pighee zu tun hatte. Es war ein langes und unangenehmes Gespräch, und
als ich an das letzte Stück gelangte, traf mich zum ersten Mal die
Erkenntnis - und sie traf mich hart an welch hauchdünnem Faden es
gehangen hatte, daß ich jetzt lebte und nicht tot war.
»Du wirst es nicht
erleben, daß ich jemals wieder etwas gegen die Macht des Gebetes
sage«, stellte ich fest.
In der Nacht wachte ich
wieder auf. Und erinnerte mich. Man würde mich demnächst zur Räumung
zwingen. Meine Lizenz befand sich in echter Gefahr, was Gartland betraf.
Meine Ersparnisse waren weg. Sam mußte bald wieder gehen. Ich hatte
zwei Menschen getötet.
Zwei Menschen getötet.
Es war mir ein Rätsel, wie das passieren konnte. Ich konnte mir
schlicht nicht vorstellen, wie ich so etwas tun konnte. Aber ich hatte es
getan. Es war einfach geschehen. Ich hatte getötet, um mein eigenes
Leben zu retten. Daraus folgerte ich, daß ich sterblich war. Daß
Linn Pighee tot war. Daß auch Sam eines Tages sterben würde.
Ich muß laut
aufgeschrien haben. Jemand kam in dieser Nacht an mein Bett. Ich erinnere
mich noch daran, daß jemand mir die Stirn abgetupft und mich getröstet
hat. Das half. Trost.
Später habe ich dann
wieder geträumt, aber ohne dieselben Ängste. Mrs. Thomas kam ins
Zimmer gestürmt. Ich sah sie an mein Bett treten, meine Hand
ergreifen und mich durch die Lederfalten ihres Gesichtes hindurch anlächeln.
Sie sagte: »Gute Arbeit.« Und sie tätschelte mir den
Kopf. Sie sagte es nicht, aber ich wußte, daß sie mir dafür
gratulierte, daß ich Marcia Merom erschossen hatte. »Sie war für
John nicht besser als Linn«, sagte Mrs. Thomas in meinem Traum.
»Es ist nur gut, daß sie aus dem Weg ist. Wenn John wieder
gesund wird, werden wir versuchen, jemand anders für ihn zu finden«,
sagte sie. »Jemand, der mehr so ist wie ich.«
44
»Mr. Samson.«
Eine sanfte, drängende Stimme im Verein mit sanften, drängenden
Händen.
»Vorsicht«, sagte
ich, »sonst wecken Sie mich noch auf.«
»Mr. Samson, der Doktor
ist hier.«
Ich setzte mich auf und sah
einen kleinen, glatzköpfigen Mann mit Adlernase und nach unten hängendem
Schnurrbart vor mir. Er trug einen weißen Mantel und ein
Stirnrunzeln.
»Was kann ich für
Sie tun?« fragte ich. »Puls? Blutdruck?«
»Sie«, sagte er,
»Sie haben offensichtlich danach verlangt, mit mir zu sprechen. Ich
weiß nicht, wer Sie sind oder warum Sie eine Polizeiwache vor Ihrer
Tür stehen haben, aber ich habe nicht viel Zeit und erst recht keine
zum Verschwenden.«
»Ah«, sagte ich,
»Sie sind der Mann, der die Autopsie an Linn Pighee vorgenommen hat.«
Er warf mir einen prüfenden
Blick
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