Der stumme Handlungsreisende
radioaktiven Zeug. Einige Papierschnitzel mit Notizen
drauf. Rechnungskopien. Ich weiß nicht genau, was es eigentlich ist.«
»Wie sieht es mit den
Sachen im Haus aus? Irgend etwas Radioaktives?«
»Wir sind nicht mit
einem Geigerzähler hingegangen, wenn es das ist, was du meinst, aber
wir haben eine Menge davon mitgenommen und sehen es uns noch an. Was ist
deiner Meinung nach da eigentlich passiert? Was soll das Ganze?«
»Als ich dich dort
hinschickte, dachte ich, du würdest irgendwelche Sachen finden, die
beweisen, daß John Pighee seine Frau mit radioaktivem Kalzium gefüttert
hat, das schließlich ihren Knochenkrebs auslöste.«
»Mein Gott. Getötet
von einem Toten.«
»Aber jetzt bin ich mir
da nicht mehr so sicher«, sagte ich. »Laß Mrs. Thomas
doch einmal herein, ja?«
»Sie hereinlassen? Bist
du sicher?«
»Ja. Komm mit ihr, aber
halt dich etwas abseits.«
Er zuckte mit den Schultern
und ging hinaus, um sie zu holen. Meine Aktien waren gestiegen.
Mrs. Thomas kam rot und
rasend ins Zimmer gestürmt; ihr Gesicht sah aus, als hätte man
ihr gerade den Pelz geschoren, und die Spuren dieses Mißbrauchs
brannten noch auf ihrer Haut.
»Sie!« sagte sie
und hätte mich beinahe geschlagen. »Sie haben mein Vertrauen mißbraucht.
Es sollte gesetzlich verboten sein, seinen Klienten zu hintergehen.«
»Das ist es auch«,
sagte ich, »es sei denn, es handelt sich um Informationen, die ein
Verbrechen betreffen.«
»Was für ein
Verbrechen?« fragte sie mit plötzlicher Koketterie.
Ich hielt das Tagebuch ihres
Bruders empor. »Das haben Sie doch Tag für Tag gelesen, oder?«
Sie dachte darüber nach,
ob sie es leugnen sollte. Dann entschloß sie sich zu einem beherzten
Ja.
»Als Sie mich
engagierten, wußten Sie also, daß diese Gruppe, mit der John
gearbeitet hatte, der Grund dafür war, daß er keine Besucher
haben durfte.«
»Nun ja«, sagte
sie.
»Aber Sie haben mich zu
Hilfe geholt, um Druck auf sie auszuüben, so daß sie Ihnen Geld
gaben, vielleicht das Geld, das Sie früher von John bekamen.«
»Er hätte es so
gewollt«, sagte sie mit einigem Nachdruck. »Da stand ich und
bekam überhaupt nichts, und diese Leute haben sie zu einer reichen
Frau gemacht, solange er krank war. Aber es war nicht sie, die ihm am
Herzen lag.«
»Nein. Das waren Sie
und Marcia Merom, aber ganz bestimmt nicht Linn.«
»Ganz bestimmt nicht.
Sie war schon schlimm genug am Anfang, als sie ihn in die Falle gelockt
hat mit… na ja, so wie sie es eben getan hat. Aber nach dem Tod der
Kinder bedeutete sie ihm nichts mehr; nichts.«
»Sie hielt ihn zurück.
Wenn sie aus dem Weg war, hätte ihn nichts mehr aufhalten können.«
»Sie war ein Hemmschuh«,
sagte sie.
»Nur daß er
nichts tun wollte, um sie loszuwerden.«
»Nein«, sagte sie
erhitzt. »Also…« Sie riß sich zusammen.
»Also halfen Sie ihm,
so wie Sie ihm immer geholfen haben, seit er ein Baby war.«
Sie sagte nichts.
»Und außerdem«,
sagte ich, »wenn John sterben sollte…«
»Er wird nicht sterben.«
»Aber wenn es so wäre,
würde Linn alles erben. Es sei denn, sie würde als erste
sterben.«
Sie saß nur da und
funkelte mich an. So deutlich, wie ein stummes Geständnis nur sein
konnte.
46
Am Nachmittag bekam ich
Besuch von Sam. Ray McGonigle begleitete sie. »He, Mann«,
sagte er. Aber er trat zurück, als Sam näher kam und sich an
mein Bett setzte.
Ich sah, daß sie
geweint hatte.
»Daddy«, sagte
sie. »Daddy.«
»Was ist, Kind?«
»Ich habe heute morgen
mit Mama telefoniert. Sie sagt, ich muß nach Hause kommen. Ich muß
zurück in die Schule.«
»Natürlich mußt
du das«, sagte ich.
»Ich meine, ich muß
jetzt gehen. Ray bringt mich zum Flughafen.«
»Ein besserer Vater würde
solche Dinge im Auge behalten«, sagte ich. Mit einem Mal war mir zum
Heulen. Aber, um es ihr nicht noch schwerer zu machen, kämpfte ich
mannhaft dagegen an. Dann fand ich aber, daß ich durchaus weinen
sollte, wenn mir danach war. Aber zu dem Zeitpunkt konnte ich es schon
nicht mehr.
»Ich war drauf und
dran, Mama zu sagen, daß ich nicht zurück in die Schule will«,
sagte Sam. »Aber da ich nur noch ein Jahr bis zum Abschluß
habe, meine ich, ich sollte es dieses eine Jahr auch noch aushalten.«
»Natürlich
solltest du das«, sagte ich.
»Daddy«, begann
sie, aber wir wurden von einem Krawall draußen vor der
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