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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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Sie sind was?«
    »Technikerin«,
     sagte sie. »Ich bin jetzt seit fast drei Jahren hier, und dann haben
     sie jemand anders von draußen geholt, der jetzt im Lagerraum
     arbeitet.«
    »Im Lagerraum?«
    »Oh, das ist die
     Bezeichnung, die auf der Tür steht. Das Labor, in dem der Unfall war.
     Es ist vor langer Zeit umgebaut worden, und sie betreiben seit Jahren
     irgendwelche streng geheimen Forschungen darin. Wir nennen es »Operation
     Lagerraums Das ist alles.« Sie zeigte auf eine Tür in der Mitte
     des Flurs auf der linken Seite.
    »Darf ich mal
     reinsehen?«
    Sie lachte. »Lee ist im
     Augenblick da drin. Und er läßt niemanden hinein. Die sind da
     alle sehr vorsichtig.«
    »Sie meinen Lee
     Seafield? Den Hünen mit…«
    »…dem lockigen,
     flachsblonden Haar, ja. Wir glauben, daß er es bleicht, aber bis
     jetzt hat noch niemand irgendwelche dunklen Haarwurzeln entdeckt.«
    »Wie viele Leute
     arbeiten an diesem großen Projekt?« fragte ich.
    »Lee, Marcia - das heißt,
     Dr. Merom - und seit Mr. Pighees Unfall ersatzweise auch Dr. Dundree.«
    »Sonst niemand? Keine
     Techniker?«
    »Keine. Oh, Lee ist natürlich
     Techniker, aber er ist schon seit Jahren hier. Es heißt, daß
     er nicht besonders gut bei Versuchsreihen ist, sonst hätte er schon längst
     seinen Doktor gemacht. An seinem Verstand liegt es nicht.«
    »Sie waren nicht hier,
     als Mr. Pighee seinen Unfall hatte, oder?«
    »Nein. Aber Ray.«
    »Ray?«
    »Ray McGonigle. Er ist
     auch Techniker. Er war als erster zur Stelle.«
    »Ist er da?«
    »Er war da, aber jetzt
     ist er wohl in der Mittagspause.«
    »Schon?«
    »Wir überwachen
     mehrere Kulturen gleichzeitig, und deshalb muß immer einer von uns
     da sein. Er ist früh gegangen. Wenn er zurückkommt, bin ich
     dran, in knapp einer Stunde. Er ist gerade erst weg.«
    »Wissen Sie, wo er
     hingegangen ist? Gibt es irgendein Lokal, in dem ich ihn abpassen könnte?« 
    »Er hat das Gelände
     verlassen. Wollte noch ein paar Platten kaufen, hat er gesagt. Es gefällt
     ihm hier nicht besonders, er geht mittags oft weg.«
    »Gefällt es Ihnen?«
    »Für mich ist es
     einfacher, ich bin nicht ehrgeizig. Im Gegensatz zu Ray. Hier herrscht ein
     solches Gerangel. Man muß schon ein Genie sein, sonst kommt man
     nicht weiter.«
    »Ist Ray ein Genie?«
    »Na ja, er ist schwarz«,
     sagte sie. »Und wenn er…«
    Ein lauter Ruf übertönte
     unser Gespräch. »Sonia!«
    »O Gott. Meine
     Kulturen!«
    Sie lief den Flur hinunter
     auf eine Tür zu, durch die eine wütende Marcia Merom ihren Kopf
     gesteckt hatte. Ich wandte mich diskret ab und hörte noch, wie die Tür
     hinter der sündigen Technikerin ins Schloß fiel.
    Wieder einmal war ich allein
     im Flur.
    Ich verließ das Gebäude
     und ging zurück zum Sicherheitstrakt am Haupteingang, wo ich meinen
     Weggang schriftlich niederlegte. Dann ging ich hinüber ins
     Verwaltungsbüro der Klinischen Forschung.
    Dr. Jay Dundrees Sekretärin
     war diesmal nicht beim Essen, als ich in ihr Büro kam. Das war
     immerhin schon etwas. »Sie sind immer noch zu dünn«,
     sagte ich.
    »Was? Oh.«
    »Ja, ich bin es schon
     wieder. Ist Dr. Dundree da?«
    »Er ist da drin«,
     sagte sie, »aber ich weiß nicht, ob er Sie sehen will.«
    Ich gab ihr meine Karte,
     nachdem ich John Pighees Namen auf die Rückseite geschrieben hatte.
     »Geben Sie ihm das, und warten Sie’s ab.«
    Sie ließ mich allein,
     und ich dachte noch einmal darüber nach, weswegen ich gekommen war.
    Die Sekretärin lächelte,
     als sie zurückkam. »Er ist bereit, Sie zu empfangen«,
     sagte sie.
    »Ich habe Ihnen doch
     gesagt, daß ich wichtig bin.«
    »Ja. Ich bin
     beeindruckt.«
    Ich ging hinein zu Dundree.
    In seinem Büro
     verzichtete er auf den Laborkittel und trug statt dessen einen
     angeberischen Dreiteiler. Er stand auf, als ich eintrat, machte aber
     keinen besonders fröhlichen Eindruck. »Ich dachte, wir hätten
     diese Angelegenheit gestern geregelt«, sagte er.
    »Und ich sagte Ihnen,
     daß ich meiner Klientin Bericht erstatten würde.« 
    »Und wer ist diese
     Klientin?«
    »Pighees Schwester.«
     Er nickte langsam und setzte sich. Ich setzte mich ebenfalls und sah ihn
     an. »Und sie ist nicht zufrieden.«
    »Aber warum nicht?«
    »Wir haben unsere
     eigenen Ärzte konsultiert, und die sehen keinen medizinischen Grund für
     den Ausschluß von Besuchern. Selbst wenn es ihnen langweilig würde,
     dazusitzen und zuzusehen, wie Pighee nicht aufwacht. Wir können

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