Der stumme Handlungsreisende
dauerte etwa fünfzehn Minuten.
Als ich zurückkam, stand
Sam am Herd und rührte mit einem Löffel in einem Topf. Auf der Küchentheke
standen geöffnete Dosen mit Bohnen und Kaviar.
»Das ist Essen?«
fragte ich.
»Sie meinte, es sei
okay«, sagte Sam. »Ich glaube, Linn hat dir etwas zu sagen.«
»Ach, wirklich«,
sagte ich und ging an den Kühlschrank, um das Bier wegzustellen. Es
war schwer, noch einen Platz dafür zu finden. Es standen bereits drei
Sechserpacks drin. Ich zog eins heraus. »Und was, bitte, ist das
hier?«
»Ach, du liebe Güte«,
sagte Sam. »Ich muß wohl doch welches gekauft haben, und dann
ist es mir entfallen.«
»Kriegt ihr bei Madame
Graumier auch Schauspielunterricht?«
Ich nahm drei Dosen heraus,
öffnete sie und trug zwei zu dem Sofa hinüber, auf dem bereits
Linn saß.
»Danke«, sagte
sie. »Ich dachte nur, daß ich auch ziemlich neugierig bin.«
»Neugierig ist eine
Untertreibung für das, was da vorgeht.«
»Ich meine, ich möchte,
daß Sie herausfinden, was John wirklich zugestoßen ist.«
»Sie meinen, meine unmögliche
Tochter hat versucht, Sie dazu zu überreden, mich zu engagieren,
damit sie sich in ihren Ferien besser amüsieren kann, ist es das?«
»Ich möchte es
wirklich gern wissen. Mir ist es nur nicht selbst eingefallen. Es wäre
mir nie in den Sinn gekommen, Sie zu engagieren. Ich bin froh, daß
sie es vorgeschlagen hat.«
Ich sah hinüber zu Sam,
die strahlte, sich jedoch abwandte, als sie meinen Blick bemerkte. »Und
hat sie Sie überhaupt gefragt, ob Sie es sich leisten können,
mich zu engagieren?«
»Ich habe Geld«,
sagte Linn. »Glaube ich wenigstens.«
»Sie müssen doch
in den letzten Jahren weniger gehabt haben«, sagte ich. »Früher
war Ihr Mann ein vollzeitbeschäftigter, zungenfertiger Vertreter, und
dann hat er wegen seiner Arbeit im Labor plötzlich nur noch Teilzeit
gearbeitet. Und Henry Rush sagte, er habe ›in seiner Freizeit‹
im Labor gearbeitet. Also müssen Sie einfach weniger Geld gehabt
haben.«
Sie sah mich unsicher an.
»Ich hatte nie das Gefühl, als ob es weniger wäre. Er hat
nie… Ich glaube nicht. Ich… ich habe in Gelddingen keine
Ahnung. Allerdings hatte ich den Eindruck, daß er ziemlich gut
verdiente. Daß er sogar mehr Geld hatte in letzter Zeit. Aber das
einzige, was ich je getan habe, war Schecks ausstellen - ziemlich wahllos.«
»Sind Sie denn seit dem
Unfall niemals seine Sachen durchgegangen ? «
»Nein.«
»Aber Sie müssen
doch leben, für sich sorgen.«
»Ich lebe. Ich tue, was
ich immer getan habe. Außer, daß ich anscheinend aufgehört
habe aus dem Haus zu gehen. Bis heute.«
»Bis heute.«
»Und ich scheine mich
die meiste Zeit über schrecklich mies zu fühlen.«
»Sehen Sie mal, Mrs.
Pighee…«
»Linn«,
unterbrach sie mich.
»Linn. Würde es
Ihnen etwas ausmachen, wenn ich morgen zu Ihrem Haus fahre und mir einen
Überblick über die Finanzlage Ihres Mannes verschaffe?«
»Meinetwegen können
Sie das ganze verdammte Haus haben«, sagte sie. »Ich habe
sieben Monate lang dadrin gesessen, und jetzt bin ich draußen. Ich fühle
mich viel besser. Sie können tun, was Sie wollen. Ich gebe Ihnen die
Schlüssel. Wo ist meine Handtasche?« Sie stand auf, allerdings
zu schnell, und es wurde ihr wieder schwindelig. Ich machte eine Bewegung,
um ihr zu helfen, aber sie sagte: »Mir geht es gut«, und ging
ins Schlafzimmer.
»Also wirst du es für
sie tun«, sagte Sam.
»Wenn du versuchst,
diese Frau zu manipulieren, schicke ich dich mit dem ersten verfügbaren
Fahrrad zu deiner Mutter zurück. Ich werde das nicht zulassen, Sam,
und je eher du das begreifst, um so besser.«
Sie war sichtbar unglücklich.
»Ich habe nur gesagt, daß ich alle Unkosten tragen würde,
weil ich Unmengen Geld habe, daß ich aber nicht glaubte, du würdest
es tun, wenn ich dich darum bäte. Aber sie sagte, sie wolle wirklich
gern herausfinden, was da los ist. Und das stimmt auch, da bin ich mir
sicher. Ich glaube nur, sie hat einfach nicht daran gedacht, dich zu
engagieren.«
»Es ist dir anscheinend
nicht in den Sinn gekommen, daß sie möglicherweise viel besser
dran ist, nicht mehr zu wissen, als sie bereits weiß. Und daß
das Leben anderer Menschen nicht dafür da ist, daß reiche
kleine Mädchen damit herumspielen, nur weil sie mehr Geld haben, als
sie sinnvoll
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