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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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Rechtsanwalt gefahren und wolltest mich nur nicht dabeihaben.«
    »Der Anwalt«,
     sagte ich. Den hatte ich völlig vergessen. Allerdings hatte ich
     ohnehin keine echte Chance gehabt, eine unterschriebene Vollmacht von Linn
     zu bekommen.
    »Den können wir
     vergessen.«
    »Daddy?«
    »Ja?«
    »Während du weg
     warst. Ein Mann war hier.«
    »Jemand Besonderes? Ein
     Polizist, der mir einen Strafzettel ausstellt, weil ich keinen Deckel auf
     meinem Mülleimer habe?«
    »Nein. Ein Mann. Er war
     sehr groß. Ich meine, wie ein Basketballspieler. Und er hatte
     lockiges, gelbes Haar.«
    Sie hatte meine ungeteilte
     Aufmerksamkeit. Es mußte sich um Lee Seafield handeln. »Was
     wollte er?«
    »Tja«, sagte Sam
     langsam und ließ keinen Zweifel daran, daß die Begegnung
     keine besonders erfreuliche gewesen war. »Er wollte es nicht sagen,
     aber er war nicht nett. Ich ging raus ins Büro, als ich jemanden hörte,
     aber er wollte mir nicht glauben, daß du nicht da warst. Er hat mich
     zur Seite geschoben und ist hier hineingestürmt. Sogar im
     Schlafzimmer hat er nachgesehen.
    »Ich finde, das hört
     sich nicht gut an«, sagte ich.
    »Er hat mir angst
     gemacht«, sagte Sam.
    »Hat er keine Nachricht
     hinterlassen?«
    »Nein.«
    Ich runzelte die Stirn.
     »Bist du sicher, daß ich es bin, nach dem er gesucht hat?«
    »Ja.«
    Ich sah, daß sie sehr
     aufgeregt war. Und nicht ohne Grund. Aber ich versuchte, sie abzulenken.
     »Also«, sagte ich, »von morgen an dürfte ich wohl
     nicht schwer zu finden sein. Arbeitslos und mit einem Kind und einer
     kranken Dame, um die ich mich kümmern muß.«
    Nach einer Weile sagte Sam:
     »Es ist eine Krankheit, Daddy.«
    »Was ist eine
     Krankheit?«
    »Wenn man nicht in der
     Lage ist, nach draußen zu gehen. Es ist eine Phobie.«
    »Na wunderbar. Alles,
     was wir tun müssen, ist zu warten, bis…« Ich biß
     mir auf die Zunge. Ich hatte sagen wollen, daß wir nur bis Oktober
     warten müßten, wenn sie das Gebäude abreißen, aber
     vor soviel Mitleidhascherei schreckte sogar ich zurück.
    »Was? Warten bis was…
     ?«
    »Bis wir schwarz
     werden.«
    Sie zuckte mit den Schultern.
     »Ach, übrigens, habe ich dir schon gesagt, daß Ray heute
     abend herkommt?«
    »Ray? McGonigle?«
    Sie nickte.
    »Nein, davon hast du
     bisher nichts gesagt.«
    »Es macht dir doch
     nichts aus, oder?«
    »Mir? Etwas ausmachen?
     Mir? Aber nicht doch. Laß uns eine Party geben. Linn kann uns alles
     von den Leuten erzählen, die sie gekannt hat und die gestorben sind.
     Ray kann uns etwas über die Laborexplosionen erzählen. Ich halte
     meine Standardvorlesung über Bankrott und Konkurs. Das wird bestimmt
     ’ne Wucht.«
    »Daddy? Gehst du
     bankrott?«
    »Nicht mehr als gewöhnlich.
     Soll ich uns eine Tasse Kaffee machen?«
    »Es ist nur so, als
     deine Tochter und Erbin habe ich das Recht, es zu wissen.«
    »Wie ich schon sagte,
     du bist zum Totlachen, Kind.«
    »Daddy, ist es in
     Ordnung, wenn ich für eine Weile ausgehe? Ich habe den ganzen Tag
     hier in der Wohnung gehockt und würde gern etwas rausgehen.«
    »Geh raus! Geh raus!
     Ich erzähle dir dann, wie die Party gelaufen ist, falls du nicht
     rechtzeitig zurück bist.«
    Langsam wurde ich es etwas müde,
     dauernd Gesellschaft zu haben. Auf dieselbe Art und Weise, wie ich meiner
     eigenen Gesellschaft überdrüssig wurde.
    Sam ging aus.
    Ich setzte mich hin. Und
     machte ein paar Notizen. Dann rief ich meine Herzdame an, um sie auch
     einzuladen. Meine erste Party seit meinem neunten Geburtstag. Unser
     letztes Treffen, bevor sie in Ferien fuhr.
    *
    Sam kam gegen halb sechs zurück,
     mit zwei Einkaufstüten voller Lebensmittel.
    »Ich hatte keine Zeit,
     die Preisschilder abzumachen, Daddy«, sagte sie. »Also
     versprich mir, nicht hinzusehen.«
    »Wer ist eigentlich
     dein Erbe?« fragte ich. Dann überließ ich sie sich selbst
     und stellte den Fernseher an. Meine Schränke bogen sich beinahe unter
     der Last der Lebensmittel.
    Um sechs wurde ich durch ein
     unmäßiges Klopfen an der Bürotür aus meiner Lethargie
     aufgeschreckt.
    »Es ist nicht der große,
     unangenehme Mann, oder?« fragte ich Sam.
    »Ich glaube nicht«,
     sagte sie, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Ich glaube,
     ich weiß, wer es ist.«
    Es war die Zustellung eines
     Klappbetts. »Stellen Sie es da drüben hin«, sagte Sam und
     wies auf eine meiner kahleren Bürowände. »Stellen Sie die
     Bank weg, und dann kann das Bett dahin.« Zu mir

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