Der stumme Handlungsreisende
nicht
viel darüber, nicht wahr?«
Den Rest des Nachmittags
brachte ich damit zu, meine Notizen über den Fall mit ihr
durchzugehen.
*
Als ich dachte, daß
Linn eigentlich schon vor zehn Minuten hätte aufgestanden sein
sollen, sagte ich: »Ist Linn wach?«
»Nein«, sagte
Sam. »Wenn ja, hat sie jedenfalls nicht das kleinste Geräusch
gemacht.«
»Ich geh’ mal
nachsehen.«
Leise öffnete ich die Tür
zum Schlafzimmer. Linn Pighee lag ganz still da, mit dem Gesicht zur Wand,
so daß ich nicht sehen konnte, ob sie wach war oder nicht.
»Linn?« sagte
ich.
Sie rührte sich nicht.
Noch einmal sagte ich ihren
Namen.
Sie drehte sich um. Ihre
Augen waren noch immer geschlossen, aber sie klammerte sich an der
Bettkante fest. Sie machte merkwürdige Geräusche, atmete zuerst
schwer und begann dann, leise zu weinen. Undeutlich hörte ich das
Wort »John«. Einmal, zweimal. Dann drehte sie sich erneut zur
Wand und war wieder still.
Ich verließ das Zimmer
und dachte darüber nach, wieviel Streß sie wohl aushalten
konnte. Und beschloß, erst Kaffee zu kochen, bevor ich sie endgültig
aufweckte.
Ich goß den Kaffee
gerade in drei Tassen, als die Schlafzimmertür sich öffnete und
Linn lächelnd ins Zimmer trat.
»Ich gewöhne mich
langsam an den Kittel Ihrer Mutter, Mr. Albert«, sagte sie. »Glauben
Sie, ich kann ihn ihr abkaufen?«
»Kaum. Aber sie würde
ihn Ihnen schenken. Etwas Kaffee?«
»Schrecklich gern«,
sagte sie und nahm ihre Tasse entgegen. »Wann fahren wir los?«
»In knapp einer Stunde.«
»Wissen Sie«,
sagte sie, »ich habe nichts Passendes anzuziehen.«
*
Sie beschloß, ihre Wahl
unter Sams Kleidern zu treffen statt unter meinen, und als wir um zwanzig
vor vier die Treppe hinunterstiegen, sahen sie wie Schwestern aus. Auf zu
einem Spaziergang mit Papa. Linn war weiterhin fröhlich. Erst als wir
an die Haustür kamen, schauderte sie und fragte: »Wie weit ist
es bis zum Wagen?«
»Es ist ein
Lieferwagen, und er steht um die Ecke.«
»Könntest du ihn
nicht herbringen, Daddy?«
Ich konnte.
Sam setzte sich auf den Rücksitz
auf die Kissen, die ich dort liegen hatte. »Ich habe nur selten zwei
Passagiere gleichzeitig«, sagte ich.
»Sie sollten meinen
Wagen holen«, sagte Linn. »Ich wäre sehr glücklich,
wenn Sie ihn benutzen würden. Er sollte wirklich gefahren werden.«
Wir schwiegen eine Weile, während
wir uns langsam dem Krankenhaus näherten.
Danach sagte Linn: »Ich wette, Dougie macht sich Sorgen um mich. Er
ist in dieser Hinsicht sehr verantwortungsbewußt, wissen Sie.«
»Wer ist Dougie?«
fragte Sam.
»Das ist der Junge, der
mir immer meine Medizin gebracht hat, als ich noch in Beech Grove war.«
»Wie nett von ihm«,
sagte Sam.
»Ich bin sicher, daß
Mrs. Thomas mittlerweile gemerkt hat, daß Sie nicht mehr zu Hause
sind«, sagte ich. »Wenn er fragt, wird sie ihm schon Bescheid
sagen.«
»Das denke ich auch«,
sagte Linn.
Ich sah im Rückspiegel,
wie Sams Gesicht sich in Falten legte. »Wahrscheinlich wird er in
ein paar Tagen mal bei uns vorbeischauen, und dann können Sie es ihm
selbst sagen.«
Linn sagte nichts.
Ich auch nicht.
»Dann geht es Ihnen
bestimmt schon besser«, sagte Sam.
»Ich gehe nicht wieder
zurück in dieses Haus«, sagte Linn. »Nicht, nachdem ich
endlich rausgekommen bin. Nie wieder.«
22
Walter Weston saß im
Warteraum der Loftus-Klinik. Er sah uns nicht gleich, als wir hereinkamen;
er schien zu grübeln.
»Hallo, Walter«,
sagte Linn, als wir direkt vor ihm standen. Er schnellte buchstäblich
in die Höhe. »Linn! Hallo.«
»Hallo, Walter«,
sagte sie noch einmal.
»Du siehst nicht gut
aus. Setz dich.«
Sie tat es.
Er nickte mir zu und sah dann
zu Sam hinüber. »Wer ist die junge Dame?«
»Meine Tochter«,
sagte ich. »Aber sie ist außerdem auch ein Detektivlehrling.
Familienunternehmen.«
Weston sagte nichts, strich
sich nur das Haar aus der Stirn.
Sam fragte Linn, ob sie sich
wohl fühle. Sie bejahte, aber ihrer Stimme fehlte die Überzeugungskraft,
selbst in meinen Ohren.
»Bringen wir’s
endlich hinter uns«, sagte Weston. »Wenn wir diese bizarre
Angelegenheit schon über uns ergehen lassen müssen.«
»Wir sind noch nicht
vollzählig«, sagte ich.
»Nein?«
»Mein Freund von der
Polizei wollte eigentlich auch um vier hier sein.«
»Polizei?« sagte
er. Aber er
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