Der stumme Handlungsreisende
wohnte er ja mit seiner Mutter
zusammen.
Von innen kam keine Reaktion.
Ich betrachtete das Schloß an der Tür.
»Sie suchen Mr.
Seafield, was?«
»Wie bitte?« Die
Stimme kam von hinten, von einem alten Mann mit einem fast rechtwinkligen
Knick im Rücken, so daß er aussah wie ein wandelnder Galgen. Er
konnte mir nur ins Gesicht sehen, wenn er seins seitlich verdrehte. Der
Mann stand an der Ecke des Weges, auf dem ich hergekommen war, aber hinter
ihm sah ich eine offene Tür am anderen Ende des Haupthauses.
»Suchen Sie Mr.
Seafield?«
»Ja«, sagte ich.
»Er scheint nicht zu Hause zu sein.« Ich brachte mein
Notizbuch in eine gut sichtbare Position, damit ich ein wenig offizieller
aussah.
»Er ist bei der Arbeit«,
sagte der Mann. »Ich weiß nicht genau, wann er zurück
sein wird. Arbeitet zu den seltsamsten Stunden, wissen Sie? Manchmal ist
er hier und manchmal nicht. Manchmal kommt er spät. Drei, vier, fünf
Uhr morgens.«
»Und er weckt Sie, wenn
er nach Hause kommt, was?«
Der alte Mann lächelte
und nickte. »Hab ’nen leichten Schlaf. Sagen Sie, hätten
Sie vielleicht Lust auf eine Tasse Kaffee, Fremder? Ich bin grade dabei,
welchen zu kochen.«
»Ja, gerne«,
sagte ich und folgte ihm durch die offene Tür in sein Zimmer im
Erdgeschoß.
Es stellte sich heraus, daß
er nicht übertrieben hatte. Der Kaffee kochte wirklich.
»Man kriegt automatisch
einen leichten Schlaf, wenn man älter wird«, sagte mein
Gastgeber. Ich schätzte ihn auf fünfundsiebzig. »Eine
Art Ausgleich für den schweren Schlaf, der später kommt.«
»Wie wahr«, sagte
ich. »Mein Name ist Samson.«
»Walker«, sagte
er. »Thomas Jefferson Walker.«
»Erfreut, Sie
kennenzulernen, Mr. Walker. Kennen Sie Mr. Seafield gut?«
»Nicht so, wie Sie
meinen, nein. Aber ich kann nicht umhin, sein Kommen und Gehen zu
beobachten. Ich mache die Reparaturen hier. Für meinen Sohn, dem das
Haus gehört.«
»Aha«, sagte ich.
»Ich versuche, ein wenig Hintergrundinformationen über Mr.
Seafield zu bekommen.«
»So, so, das tun Sie
also? Für welche Seite arbeiten Sie?«
»Welche Seite?«
»Bundespolizei oder
was?«
Ich verstand nicht, worauf er
hinauswollte, fuhr aber so fort, wie ich es geplant hatte. »Ich bin
Privatermittler. Mr. Seafield hat sich an uns gewandt, und wir versuchen,
uns ein vollständiges Bild zu machen. Lebensstil, diese Art Sachen.«
»Verstehe«, sagte
Walker. Aber mehr sagte er nicht.
»So. Er hat die Wohnung
gemietet. Nicht wahr?«
»Das stimmt. Von meinem
Sohn, Tommy junior. Großer Bursche.«
»Ihr Sohn?«
»Nee, Mr. Seafield.
Richtig groß und dünn. Mein Junge bringt es nur auf
einsachtzig, und das trotz meiner Größe. Ich bin einsneunzig,
fast einsfünfundneunzig«, sagte er. »Das heißt…
das war ich mal. Seafield ist noch ein paar Zentimeter größer
als ich.«
»Hat er viele Freunde?«
»Freunde? Ich weiß
nicht. Er scheint das Weibervolk anzuziehen, und im Abfall gibt es immer
jede Menge Bierdosen.«
»Lockerer Typ, der
Bursche?«
»Mich behandelt er
jedenfalls wie Dreck«, sagte Thomas Jefferson Walker senior. »Wegen
meines Alters und weil ich ja nur der Hausmeister bin.« Er wies mit
der Hand auf den Rest des großen Hauses. »Er muß mich
nicht behandeln, als wäre ich ein Mensch, also tut er es nicht. Nein,
mir kommt er nicht wie ein lockerer Bursche vor. Zu auffällige
Kleidung.«
»Ein Schönling,
wie?«
»Zu meiner Zeit hat man
aus solchen Stoffen Kleider für kleine Mädchen gemacht.«
Eine Tatsache, die Lee Seafield in Walkers Augen um etliche Zentimeter
schrumpfen ließ.
»Was für einen
Wagen fährt er?«
»T-Bird. Schätze,
der kommt von der Firma. Mein Junge hatte damals auch einen.«
»Ihr Sohn hat bei
Loftus gearbeitet?«
»Genau.«
»Aber er ist kein
Wissenschaftler, oder?«
»Nein, er war in der
Verwaltung. Hatte große Pläne, als er vor fünfzehn Jahren
da hinkam. Ist dann aber steckengeblieben, Sackgasse. Irgendwo in der
Abteilung für Qualitätskontrolle.«
»Das hört sich
ziemlich wichtig an«, sagte ich.
»Hört sich
vielleicht so an, aber er sagt, es wäre in Wirklichkeit nichts
anderes als eine beschönigte Tellerwäscherei gewesen. Hat seinen
Ehrgeiz auf den Nullpunkt getrieben. Er also auf und davon. Steckt seine
Energie jetzt in andere Sachen rein. Arbeitet jetzt viel für ein paar
Leute in
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