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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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Seafield sagte, sie habe es gern grob, und er hatte wohl
     irgendwie die Warhrheit gesagt. Marcia Merom schien es im Umgang mit
     Menschen an etwas zu fehlen. Eine fehlende Synapse, was zur Folge hatte,
     daß sie auf zivilisierte und freundliche Bitten nicht reagieren
     konnte. Aber wenn jemand schrie oder forderte, wenn jemand sie grob
     behandelte, dann war die Kluft überbrückt, und sie gab, worum
     man sie gebeten hatte. Entweder Seafield, der von Natur aus ein Grobian
     war. Oder mir, der ich hartnäckig war, weil mir nichts anderes übrigblieb.
     Ich hatte eine kleine Schlacht mit Seafield gewonnen, dann, um sie zur
     Eile anzutreiben, hatte ich Ärger gezeigt. Also gehörte sie mir. 
    Sie stieg an der
     Beifahrerseite ein.
    Ich ließ den Motor an
     und versuchte mir auszumalen, wie unerfreulich ich werden mußte, um
     die Antworten zu bekommen, die ich haben wollte. Und wohin ich fahren
     sollte, um die dazugehörigen Fragen zu stellen. Wir konnten nicht
     bleiben, wo wir waren. Seafields Zeit war bald abgelaufen, und seine Geduld würde
     sicherlich nicht weit reichen. Der Mann war nicht dumm; er würde
     schnell merken, daß wir uns durch die Hintertür verzogen
     hatten.
    Zuerst fuhr ich in Richtung Büro.
     Aber als ich bereits den Monument Circle durchquert hatte und von der
     Meridian auf die West Maryland einbiegen wollte, begriff ich, daß
     Seafield wahrscheinlich direkt in mein Büro fahren würde, sobald
     er herausgefunden hatte, daß wir nicht mehr da waren. Er war in
     meiner Abwesenheit ja schon einmal da gewesen, mindestens einmal.       
    Trotzdem bog ich auf die
     Maryland ein. In der Nähe meines Büros war kein Thunderbird zu
     sehen. Aber das war nur noch eine Frage der Zeit.
    Ich fuhr an den Straßenrand,
     um nachzudenken. Eine Folge davon war, daß ich alle meine Taschen
     durchstöberte und auf eine Idee kam. Es ist wirklich eine gute Sache,
     daß ich nicht jede Woche automatisch eine neue Hose anziehe. Ich
     hatte noch immer die Schlüssel zu Linn Pighees Haus bei mir.
    Also fuhr ich wieder los, und
     zwar in Richtung Süden, auf die Madison, dann nach Südwesten,
     mit Ziel Beech Grove. Der Gedanke, Marcia Merom im Haus der Pighees
     auszufragen, gefiel mir.
    Wir waren bereits in Garfield
     Park, als mir auffiel, was an der Idee nicht stimmte. Wir hatten gerade
     den Pleasant Run überquert, einen der kleinen Nebenflüsse des
     White River, und näherten uns einer Brücke über den Bean
     Creek, einem Nebenfluß des Pleasant Run. Ich schlug den Lenker ein
     und fuhr die gleiche Straße wieder zurück.
    Marcia Merom rutschte auf
     ihrem Sitz hin und her, als wir plötzlich mitten in der
     Dunkelheit in einem Park anhielten. »Was ist los?« fragte sie.
    Ich hätte ihr befehlen
     sollen, den Mund zu halten. Statt dessen sagte ich: »Ich denke nach.«
     Nicht annähernd so beeindruckend für sie.
    Das Thema, um das sich meine
     Gedanken drehten, waren Sam und Ray McGonigle. Ich wußte nicht, wann
     sie wieder in meinem Büro sein würden. Es würde Ray ganz
     bestimmt nicht gut tun, wenn Seafield ihn in meiner Wohnung fand und mit
     mir in Verbindung brachte.
    Das einzige, was ich tun
     konnte, war zurück zum Büro zu fahren.
    »Ich sollte wirklich
     wieder zurück ins Labor. Ich war mit meiner Arbeit dort noch nicht
     fertig.«
    »Ruhe«, sagte
     ich, aber ohne entsprechende Überzeugung. Mein Oberwasser sank
     langsam gegen den Nullpunkt. Ich wendete den Wagen und fuhr auf der
     anderen Straßenseite wieder zurück.
    »Wir fahren in mein Büro«,
     sagte ich. Ich versuchte, energisch zu sein, aber es klang eher erklärend
     und daher schwach. Innerhalb der Kategorien, nach denen Marcia Merom
     meiner Meinung nach funktionierte.
    Unterwegs fragte ich mich, ob
     ich recht hatte, was sie betraf. Gewißheit machte Verwirrung Platz.
     Ich bin kein geborener Despot.
    Ich versuchte, meine
     Entschlossenheit zurückzugewinnen. Es gab noch einige Dinge, die ich
     in Erfahrung bringen mußte. Seafield hatte sie beschuldigt, mir
     verraten zu haben, was »mit dem verräterischen John Pighee
     geschehen« sei. Ich wollte, daß sie seine Anschuldigung wahr machte. Außerdem mußte
     ich wissen, präzise und im Detail, welcher Natur dieses FBI-Projekt
     war. Und ich mußte wissen, wie die Leute da hineingezogen worden
     waren.
    »Stammen Sie aus
     Indianapolis?« fragte ich Marcia Merom.
    »Nein.«
    »Woher kommen Sie?«
    »Ursprünglich aus
     Lewisburg. Pennsylvania.«
    »Und was hat

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