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Der stumme Ruf der Nacht

Titel: Der stumme Ruf der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Griffin
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Ohrringe. »Sie sind wirklich schön. Nur hätte ich nicht gedacht, dass du so was trägst.«
    Courtney neigte den Kopf zur Seite. »Aber warum?«
    Sie lachte. »Weil du dich sonst eher wie ein Mann anziehst. Du trägst Klamotten wie mein Sohn.«
    Courtney sah an sich herunter. Flanellhemd, Jeans, Stiefel. Sich in diese Outdoor-Kluft zu werfen, war ihr nicht leichtgefallen. Aber zumindest Pauline schien es zu überzeugen.
    »Na, egal. Vielen Dank jedenfalls für die gute Arbeit diese Woche«, fuhr Pauline fort. »Du warst eine echte Hilfe bei den vielen Besuchern des Filmfestivals. Hoffentlich wird es bis Thanksgiving etwas ruhiger, dann kannst du dich eingewöhnen.«
    Courtney lächelte verlegen. Das war eine weitere Sache, die sie beunruhigte – ihre Zukunft. Wenn mit dem Geld alles nach Plan lief, würde sie zu Thanksgiving meilenweit von Silver Creek entfernt sein. Ihr nächstes Ziel hatte sie schon ausgemacht. Und um es zu erreichen, brauchte sie Fionas Pass.
    Courtney kehrte ins Restaurant zurück. Dort war das Tempo inzwischen etwas gemächlicher, da die Touristen
in die Berge aufgebrochen waren, um den gestrigen Regentag beim Angeln oder Wandern wieder wettzumachen. Als ihre Schicht endlich vorbei war, steckte sie ihr Trinkgeld ein, legte die Schürze ab und verließ das Hotel. Heute wollte sie zu Fuß in die Stadt laufen. Sie musste einkaufen und brauchte außerdem ein wenig Tapetenwechsel. Es war praktisch, so nahe bei der Arbeit zu wohnen, aber manchmal war es auch etwas beengend.
    Ihre Stiefel sanken in die weiche Erde ein, als sie den Pfad entlangging, der zur Landstraße führte. Das Hotel lag auf einem von Fichten bestandenen Hügel über dem Silver Creek Canyon. Der Ausblick war atemberaubend und lockte Besucher von überall her. Die Leute bogen von der Landstraße ab, um ein wenig die Landschaft zu genießen. Dann blieben sie über Nacht und hängten nach dieser ersten Nacht oft sogar noch eine zweite oder dritte dran. Das machte den Zauber des Canyons aus – er konnte Menschen in seinen Bann ziehen. So war es auch bei Courtney gewesen, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Sie stand in dem winzigen Busbahnhof des Städtchens und hatte aus dem Fenster geblickt. In der Ferne, am anderen Ende des Tals, hatte sie das dünne silberne Bändchen eines Wasserfalls blitzen gesehen. So war die Tagestour von Santa Fe aus zum dreiwöchigen Aufenthalt geworden.
    Courtney war zufrieden. Es ging ihr hier besser. Sie fühlte sich sicher in diesem Versteck im San-Juan-Gebirge. Und seit sie nicht mehr unbedingt in einem Haarstudio arbeiten wollte, musste sie auch nicht in der Nähe eines Luxusresorts leben. Silver Creek war insgesamt ruhiger und weit ab vom Schuss.

    Der Pfad traf auf die Landstraße, und das Städtchen Silver Creek kam in Sichtweite. Sie begann schneller zu gehen, als sie ihre Pläne durchging. Zunächst die Lebensmittel, dann der Buchladen. Sie brauchte noch einen Reiseführer, und für den heutigen Abend wäre zur Abwechslung eine neue Zeitschrift willkommen. In ihrem winzigen Zimmer gab es keinen Fernseher, ja, nicht einmal einen vernünftigen Blick auf das Tal. Dafür hatte sie dort ihre Ruhe, und das war genau, was Courtney am meisten brauchte.
    Sie wartete an einer der drei Ampeln des Städtchens. Nur nicht bei Rot über die Straße gehen, da sie jeder Kontakt mit den Hütern des Gesetzes in Schwierigkeiten stürzen konnte. Sie kreiste mit den Schultern, um ihre Verspannung zu lösen. Ach ja, auch in der Drogerie sollte sie vorbeischauen und sich eine Wärmekompresse besorgen. An sich war sie es ja gewohnt, den ganzen Tag auf den Beinen zu sein, aber die schweren Tabletts machten ihr doch zu schaffen. Ihre Arme kamen ihr so schlaff wie ein ausgeleiertes Gummi vor.
    Ihr fielen Wills Arme ein, und ihr Blick wanderte von dem Lebensmittelladen zu der Tankstelle, von der aus sie gestern Fiona angerufen hatte. Nun verstand sie, warum Alex sie so vehement vor Telefonaten gewarnt hatte. Sie machten abhängig. Schon die wenigen Minuten, in denen sie die Stimme ihrer Schwester gehört hatte, ließen sie nach mehr verlangen. Sie wollte auch mit Jordan sprechen. Mit Will. Sogar mit Amy.
    Die Ampel schaltete auf Grün, und sie überquerte die Straße. Vor allem mit Will wollte sie sprechen. Aber das letzte Mal, als sie seine Stimme gehört hatte, hatte
sie das so mitgenommen, dass sie sich tagelang wie taub gefühlt hatte. Das würde sie kein weiteres Mal aushalten.
    Vor allem jetzt nicht. Nicht wenn

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