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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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hingehörte.
    Blödsinn, du siehst Gespenster, dachte er.
    Da tauchte das Gesicht wieder auf. Ein Gesicht unter einer Indianerfeder.
    Was zum Teufel suchte sie hier? In einem Laden für die, die nicht allein bleiben wollten? Er kippte seinen Cognac. Nun gab es gleich zwei Gründe für ihn, hier schleunigst zu verschwinden. Doch er konnte seinen Blick nicht abwenden. Und als er sah, wie sie ihrem Tanzpartner ein Lächeln schenkte, da durchfuhr ihn ein derart heftiger Schmerz, der ihn seinen Ärger über Kathi sofort vergessen ließ.
    Wer war dieser grinsende Fransenaffe im Cowboykostüm, der es da wagte, sich von Charly anlächeln zu lassen?
    Charlotte Ritter.
    Seit Monaten hatte er sie nicht mehr gesehen. Fräulein Ritter müsse sich um ihr Examen kümmern, hatten die Kollegen am Alex erzählt, und Rath hatte das als Wink des Schicksals gesehen, Charly endlich zu vergessen. Aber selbst mit Kathi neben sich im Bett hatte er das nicht geschafft.
    Wie um alles in der Welt kam sie nun hierher?
    Erst als er eine bekannte Stimme hörte, wurde ihm klar, dass er sie die ganze Zeit anstarrte wie ein Auto.
    »Chef? Tatsächlich! Das ist ja 'n Ding! Hat man dich zum Hauptmann befördert?«
    Er drehte sich um. Der dicke Czerwinski stand da und grinste. Die Sträflingskleidung, in die sich der Kriminalsekretär geworfen hatte, machte ihn nicht gerade attraktiver.
    »Ich fass es nicht. Du? Ohne Henning unterwegs?« »Der hat mit Fasching nichts am Hut.«
    »Ich auch nicht.«
    »Guter Witz!« Czerwinski puffte ihn in die Seite.
    Rath wollte gerade ansetzen und den Unterschied zwischen Fastelovend und Fasching erklären, da kam ein zweiter Sträfling aus dem Dunkel, zwei Biergläser in der Hand. Kriminalkommissar Frank Brenner schaute weniger freundlich, als er den Kollegen in der Hauptmannsuniform erkannte. Wortlos reichte er Czerwinski sein Bier, die Männer stießen an und tranken.
    »Sieh mal an«, sagte Rath, »jetzt schleppst du meine Leute auch schon nach Feierabend ab.«
    »Von wegen deine Leute«, sagte Brenner. »Wenn wir jemandem gehören, dann Wilhelm Böhm, dich eingeschlossen. Freu dich schon auf Montag. Der Chef hat eine Stinkwut auf dich!«
    »Ich konnte Montage noch nie leiden.«
    »Hey!« Czerwinski zeigte mit seinem Bierglas auf die Tanzfläche. »Ist das nicht die Ritter da vorne?«
    Rath antwortete nicht.
    »Das ist sie ja wirklich«, sagte Brenner. »Die gibt aber eine süße Iltschi ab, was?«
    »Iltschi heißt das Pferd, du Hornochse«, sagte Rath.
    Brenner ließ sich nicht beirren. »Scharfes Gerät, die Kleine«, fuhr er fort. »Dieser Arsch! Bisschen kleine Titten, für meinen Geschmack. Wie die wohl im Bett ist?«
    Rath sagte nichts. Er spürte, wie eine Wut in ihm aufstieg, die er nur mühsam im Zaum halten konnte.
    »Man munkelt, sie hätte dich mal rangelassen.« Brenner legte es offensichtlich darauf an, ihn zu provozieren. »Wie war sie denn so? Hat sie auch deinen Schwanz in den Mund genommen?«
    Blitzschnell hatte Rath den Dicken an seinem Sträflingskragen gepackt, das Bierglas fiel zu Boden und zerplatzte mit einem feuchten Klirren, Bier und Scherben spritzten nach allen Seiten, sodass Czerwinski aus dem Weg sprang.
    »Wenn du nicht sofort deine verdammte Schnauze hältst, dann passiert was«, zischte Rath und funkelte Brenner an. Sein Gesicht war nur Millimeter von Brenners Visage entfernt.
    »He, was soll das?«, keuchte der, offensichtlich unter Atemnot leidend, »man wird doch wohl noch einen Witz machen dürfen. Meinst du, du bist der Einzige, dem dieses Flittchen einen geblasen hat?«
    Rath legte seine ganze Wut in einen trockenen, ansatzlosen Schlag, der Brenners Magengrube traf. Der Kommissar im Sträflingskostüm klappte zusammen, und Rath wuchtete ihn mit einem linken Haken wieder nach oben, bis er einen harten Griff an seinen Oberarmen spürte. Es war Czerwinski, der ihn festhielt. Brenner keuchte und fluchte. Der dicke Kommissar blutete aus Nase und Mund.
    »Hast du das bei deinen Gangsterfreunden gelernt?«, giftete er. Erst jetzt merkte Rath, wie viele Leute ihn anstarrten, auch auf der Tanzfläche waren einige stehen geblieben. Unter anderem eine Indianerin und ein Cowboy.
    Charly schaute ihn entsetzt an mit ihrem hübschen Gesicht, und er drehte sich weg. Hoffentlich hatte sie ihn nicht erkannt! »Schon gut«, sagte er zu Czerwinski und wand sich unter dessen erstaunlich hartem Griff. »Schon gut, lass mich los, Paul, ich tu ihm nichts mehr.«
    Der Griff lockerte sich, und Rath

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