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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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uns ragten die Gipfel empor, zum Teil in dichten grauen Wolken verborgen. Die Luft war kühl hier oben, schmeckte selbst jetzt im Sommer nach Schnee.
    Keiner von uns war die Berge gewohnt, aber es stellte sich heraus, dass Ynea die meisten Schwierigkeiten hatte. Unsicher blieb sie dicht hinter Joelle oder Mi‘raela, um Hände und Füße auf die gleichen Felsvorsprünge setzen zu können wie sie. Sie beklagte sich nie, aber für schwierige, steile Stellen brauchte sie viel Zeit und Ermutigung.
    Unruhig blickten Merwyn und ich uns immer wieder um, suchten mit den Augen die Gegend unter uns ab. Wir hatten beide schon von den Farak-Alit, den Elitetruppen der Regentin, gehört. Bestimmt hatten sie hier in den Bergen trainiert, waren mit dem Terrain vertraut.
    Zum Glück waren sie bisher nicht in Sicht, und auch mein Skagarok erspähte nichts Verdächtiges. Deshalb entschied Merwyn schließlich: »Wir rasten einen Moment. Der Überhang da vorne sieht gut aus dafür.«
    »Exzellente Idee«, stöhnte Ynea, kroch fast unter den Übergang und ließ sich auf einen zum Sitzen geeigneten Stein plumpsen. Joelle teilte ein paar Rationen aus und setzte sich neben mich und ihre Schwester. Leise begannen sie und Ynea zu reden. Ich bekam mit, dass sie über ihre Familie sprachen, über das, was damals geschehen war, darüber, was Ynea in der Burg erlebt hatte, über Joelles Suche quer durch Daresh und über die Zukunft. Taktvoll hörten ich und Merwyn weg.
    Doch dann fiel im Gespräch ein paar Mal mein Name, und ich wandte mich neugierig um. Ynea blickte mich durchdringend an. »Was ist?«, fragte ich sie.
    Sie zögerte. »Ich habe die Kräuter mitgebracht ... die man zum Sondieren des Geistes braucht. Du weißt schon, das, was du bei dem unterirdischen Teich erwähnt hast.«
    Stimmt. Hatte ich völlig vergessen.
    »Das könnt ihr immer noch machen, wenn wir wieder in Vanamee sind«, warf Merwyn ein. Eigentlich fand ich das auch. Aber Ynea und Joelle blickten mich so bittend an, dass ich weich wurde. Ynea hatte ein Recht darauf, zu erfahren, was mit ihr geschehen war. Außerdem war ich selbst sehr neugierig darauf. Erst dann wäre diese Suche wahrhaft abgeschlossen.
    Mit verzogenem Gesicht kaute Ynea die bitteren Kräuter und spülte mit einem Schluck Wasser nach. Schon nach wenigen Momenten entspannte sich ihr Körper, ihre Lider sanken ein Stück herab, und ihr Gesicht glättete sich, die Linien der Anspannung verschwanden. Ich setzte mich ihr gegenüber, ergriff ihre Hand.
    »Bist du bereit?«, fragte ich, und sie nickte mit halb geschlossenen Augen.
    Ich begann die klassischen Worte des Sondierens. »Dein Gedächtnis ist ein riesiger klarer See. Du tauchst hinein. Bilder aus der Vergangenheit umgeben dich, Gedanken, Gefühle. Nichts ist verborgen, nichts vergessen. Du tauchst tiefer ...«
    »Ich sehe nichts – es ist dunkel hier, so dunkel«, flüsterte Ynea.
    Sanft legte ich die Fingerspitzen der rechten Hand auf ihre Stirn, baute den Kontakt auf. Es ging so gut wie nie zuvor. Sofort spürte ich die Blockierung, schwarz und düster. Was für ein Glück, dass ihr Gedächtnis nicht gelöscht, sondern nur versiegelt worden war! Früher hätte das genügt, ich wäre nie dagegen angekommen und womöglich selbst Udiko nicht. Doch nun konnte ich das Geschenk der Quelle einsetzen, meine neuen Fähigkeiten. Ich konzentrierte mich auf die Barriere, darauf, sie wegzuschmelzen. Wenige Momente später hellte sich das Schwarz auf, wurde durchscheinend, bis es nur noch ein dünner Schleier und schließlich verschwunden war.
    »Was siehst du jetzt?«, fragte ich sie. »Kannst du dich an die Fehde erinnern?«
    »Ich sehe Soldaten ...«, flüsterte Ynea. »Leute von Luft- und Feuer-Gilde. Sie suchen nach mir. Draußen brennen unsere Boote, alle sind dort und versuchen zu löschen. Ich bin noch zu klein, um zu helfen. Ich verstecke mich hinter der Kuppel. Aber die Windhunde finden mich trotzdem. Da bist du ja! sagt einer.«
    Joelle, Merwyn und ich tauschten einen schnellen Blick. Anscheinend stimmte meine Theorie – die Fehde war wegen ihr inszeniert worden!
    »Was siehst du noch?«, fragte ich leise nach. »Wohin haben sie dich gebracht?«
    »Nach Nerada. In das Haus eines Händlers.« Yneas Stimme war ganz leise geworden. »Es ist riesengroß und nirgendwo ist Wasser in der Nähe. Ich fühle mich furchtbar. Meine Haut ist schon ganz ausgetrocknet. Ich vermisse Joelle und Glenn und Zito und die anderen. Jeden Tag frage ich, wann ich endlich

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