Der Sucher (German Edition)
transportieren konnte, und ein paar Leuchtstäbe.
Zwei Tage später kam ich zum Schwarzen Fluss. Eine Gänsehaut überzog meine Arme, als ich über den Fluss hinwegblickte. Zehn Baumlängen breit wälzte sich das düstere Wasser, das flach und metallisch roch, durch die Region von Vanamee und der Außengrenze von Daresh. Auf der einen Seite erhoben sich schroffe, dunkelgraue Berge, deren Spitzen im Dunst lagen. Nicht mal ein Grashalm wuchs auf ihren Hängen, und hinter ihnen befand sich die Außengrenze von Daresh. Ein großer Spiegel, der den Bergen ihr eigenes Bild zurückwarf. Ein Spiegel, den niemand durchschreiten konnte. Auf der anderen Seite des Flusses erstreckte sich kahler Fels, der von großen, wassergefüllten Löchern durchzogen war – den Tausend Schächten.
Niemand lebte in dieser Gegend. Was nur hatte der Sohn der Regentin hier gesucht? Vielleicht hatte ihn der Fluss neugierig gemacht. Wenn die Sonne schien, bekam er einen prächtigen metallischen Schimmer und sah aus wie flüssiges schwarzes Gold. Hoffentlich war der Kerl nicht auf die Idee gekommen, davon zu trinken. Das Wasser schmeckte angeblich gar nicht schlecht, hatte aber die unangenehme Nebenwirkung, einen langsam zu vergiften.
Nervös hielt ich Ausschau nach Angreifern, als ich mich an Land zog. Hatte der Herr der Quallen schon bemerkt, dass ich hier war? Selbst Udiko wusste nicht viel über ihn. Nur, dass er sich in diese unwirtliche Gegend zurückgezogen hatte, weil er von der Wasser-Gilde eines Verbrechens wegen ausgestoßen worden war und obendrein noch ein paar Leute der Feuer-Gilde mit ihm quitt werden wollten. Angeblich hatte er noch andere ehemalige Mitglieder der Wasser-Gilde um sich geschart. Immer mal wieder ließ er unvorsichtige Reisende verschwinden. Aber er forderte nie ein Lösegeld, und von den Opfern hörte man nie wieder etwas. Was, zum Brackwasser, tat er mit den Leuten?
Die Tausend Schächte führten in unbekannte, unheimliche Tiefen. Angeblich stellten manche die Eingänge zu Unterwasserhöhlen dar, sogar Luft sollte es dort unten geben. Andere führten wer weiß wohin. Es kam darauf an, den richtigen zu erwischen.
In der Ferne fauchte ein Geysir Vulkanwasser aus dem Erdinneren hoch. Als kurz die Sonne herauskam, funkelte sein Sprühnebel wie tausend Diamanten. Erschrocken beobachtete ich, wie auch aus einem der Schächte in meiner Nähe donnernd eine Wassersäule schoss; der Boden erbebte unter meinen Füßen. Ich warf mich zur Seite und rollte mich unter einen Felsvorsprung, damit mich die tonnenschweren Wasserkaskaden nicht erwischten, wenn sie wieder auf dem Boden aufklatschten. Zum Glück trug ich die Schwimmhaut, sonst hätte ich mich übel aufgeschürft bei dem Sturz.
Hübsche Gegend eigentlich , ging es mir durch den Kopf. Nur schade, dass sie dauernd versucht, einen umzubringen!
Als wieder Ruhe eingekehrt war, näherte ich mich vorsichtig einem der Schächte, der nicht zu spucken schien und verglichen mit den anderen etwas harmloser wirkte. Man sah nicht viel, nur dunkles Wasser. Alle paar Momente sank der Wasserspiegel ein Stück, wogte dann wieder nach oben und quoll über die Ränder der Öffnung. Es war, als würde der Schacht mit Kiemen atmen wie ein lebendes Wesen.
Es gab Dinge, auf die ich noch weniger Lust hatte, als dort hineinzutauchen. Zum Beispiel über glühende Kohlen laufen. Aber es kam nicht in Frage, dass ich mich drückte und umkehrte. Wenn man eine Suche angenommen hat, muss man sie zu Ende führen. Das hatte Udiko mir zahllose Male eingeprägt.
Ich steckte einen Zeh in das Wasser des Schachts. Er wurde nicht sofort abgebissen. Immerhin. Schnell stieß ich mich vom Boden ab, sprang mit den Füßen voran in die Öffnung und stieß die Luft aus meinen Lungen, damit mein Körper sank. Der Schacht erwies sich als eng, herumdrehen konnte ich mich darin nicht. Wenn ich die Arme ausstreckte, konnte ich die von Algen glitschigen Seitenwände berühren. Nach einer Weile schien sich der Schacht auszudehnen, ich erreichte die Wände nicht mehr und fühlte mich völlig orientierungslos. Es war dunkel und wurde immer finsterer, je tiefer ich sank. Da ich keine Ahnung hatte, wie weit es bis zum Ziel war und wie lange ich unter Wasser bleiben musste, verlangsamte ich meinen Herzschlag. Dadurch reagierte mein Körper zwar nicht mehr so schnell, sparte aber auch Kraft und Atemluft.
Das stellte sich als schwerer Fehler heraus. Einen Moment später sah ich ein Licht aufblitzen, dann packte mich etwas
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