Der Sucher (German Edition)
Bediensteten bin ich schon bekannt dafür, gute Vorhersagen zu machen. Ein paar sind schon eingetroffen! Da ich nicht daran denken mag, dass meine Mutter sterben könnte, halte ich mich aus den ganzen Nachfolgefragen raus. Favoritin ist im Moment nicht mehr Hetta, sondern ein Luft-Gilden-Mädchen – meine Mutter hat früher, als sie noch Mariam hieß, auch zur Luft-Gilde gehört.
Ich habe von einem eurer Leute gehört, dass du inzwischen Meister bist. Glückwunsch! Da ich offiziell gildenlos bin wie alle Angehörigen der Regentin, kann ich mir leider gar nicht vorstellen, wie das ist.
Dein Freund Janor
Schnell ließ ich den Zettel in meiner Tasche verschwinden, bevor die Luft-Leute – die leidenschaftlich gerne Neuigkeiten austauschten – sein Namenszeichen auf der Botschaft sahen. Ganz wohl in meiner Haut fühlte ich mich nach dem, was ich gelesen hatte, ohnehin nicht. Wusste dieser Verrückte eigentlich, dass er mir da Staatsgeheimnisse verriet? Der Name und die bisherige Gilde einer Regentin werden strikt geheim gehalten – in dem Moment, in dem sie über Daresh zu herrschen beginnt, legt sie beides ab. Damit ist sichergestellt, dass sie keine Partei ergreift; eigentlich besteht ihre Aufgabe ja darin, den Frieden zwischen den Gilden zu wahren. Leider hatte Janors Mutter das nie besonders wichtig genommen.
»Ich glaube, ich muss mich auf den Rückweg machen«, teilte ich Wynns Familie mit, brachte den Wühler vorsichtig in der Tasche meiner Tunika unter und stand auf. »Vielen Dank für das Frühstück, das hat mich wirklich gerettet!«
Begleitet von vielen guten Wünschen machte ich mich auf den Weg. In einer ruhigen Ecke der Stadt organisierte ich ein Stück Schreibkohle und schrieb zurück:
Sei gegrüßt, Janor,
ich bin gerade auf dem Weg nach Nerada und habe gleich mehrere Suchen am Hals. Macht aber trotz allem Spaß – du weißt ja, ich mag’s, wenn‘s nicht ganz einfach ist. Bin gespannt auf das Grasmeer.
Halt bloß die Flossen steif da in der Burg. Gut, dass du dich aus allem raushältst. Besser, du schreibst mir keine Details mehr (zu riskant).
Tjeri
Brav machte sich der Wühler mit meiner Nachricht auf den Weg.
Und ich stand da und wusste, dass ich jetzt besser zu Joelle und Merwyn zurückging, sonst würden sie sich wirklich sorgen. Am Vorabend hätte ich, wenn ich die Wahl gehabt hätte, mein Sachen gepackt und wäre alleine weitergereist. Doch nun merkte ich, dass ich die beiden vermisste – und außerdem gab es keinen Weg, mich vor der Suche zu drücken, die ich für Joelle übernommen hatte. Nein, abhauen kam nicht in Frage.
Du gehst jetzt zurück, Tjeri , redete ich mir gut zu. Es wird zwar peinlich, und wahrscheinlich herrscht zwischen dir und Joelle jetzt Eiszeit, aber da musst du durch.
Unsichtbar
Mi‘raela hatte Recht gehabt – die nächste Attacke auf Jini war schlimm. Und Mi‘raela bekam sie erst mit, als es bereits zu spät war. Sie schaffte es nur noch, als Spinnenfingers Dienerin im kleinen Thronsaal dabei zu sein, als Jini verhört wurde. Jini stand vor Großfrau und sah erschrocken und verwirrt aus. Außerdem waren noch zwei junge Männer und ein Berater in schwarzer Kutte anwesend, der von den Halbmenschen wegen seines Mundgeruchs Riecht-tot genannt wurde.
Großfrau blickte ernst drein, beobachtete und sagte nichts, während Riecht-tot die Befragung übernahm.
»Dieser Küchenjunge ist mit dir befreundet, nicht wahr?«, fragte Riecht-tot streng und deutete auf einen schmächtigen braunhaarigen Jungen.
»Ja, warum?«
»Hast du ihm gegenüber über die Regentin gesprochen und folgendes gesagt: ›Die Alte ist schon ziemlich wirr im Kopf, es war leicht, sie um den Finger zu wickeln.‹?«
Jinis Stimme zitterte, als sie antwortete. »Nein, so was habe ich nicht gesagt. So was würde ich nie sagen, weil es nicht stimmt.«
»Dieser Junge behauptet aber, dass du es gesagt hast, und dieser Diener hat es gehört«, entgegnete Riecht-tot. Die beiden jungen Dörflinge nickten und mieden Jinis Blick.
Mi‘raela witterte ihre Furcht und wusste, dass sie logen. Sie hätte gerne gewusst, wie Spinnenfinger sie beeinflusst hatte. Bedrohung oder Belohnung? Wahrscheinlich beides. Doppelt hält besser, wie die Dörflinge sagten.
Und was schlimmer war – Großfrau schien ihnen zu glauben. Sie wirkte traurig, wütend und sehr, sehr müde. »Ich habe es satt, von Menschen enttäuscht zu werden«, fuhr sie Jini an. »Dankst du es mir so, dass ich dich gefördert habe?«
»Ich habe
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