Der süße Hauch von Gefahr
halten.
Mit dem Messer in der Hand benötigte er nur Sekunden, um den Strick um seine Handgelenke zu durchschneiden. Da er nun nicht länger gefesselt war, musste er entscheiden, was er als Nächstes tat. Das Messer war klein, daher wog er seine Chancen ab, unbemerkt an das größere und damit wirkungsvollere in seinem Stiefelschaft zu kommen, ehe sie merkten, dass er wach war.
Seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen starrte er zu den beiden Männern. Beide sahen einander an, ganz auf ihr Gespräch konzentriert, und kümmerten sich nicht um ihn …
»Mir gefällt das immer noch nicht. Ich mag es nicht, die schmutzige Arbeit für einen Kerl zu machen, der nicht Manns genug ist, es selbst zu tun«, stellte der Räuber mit dem schwarzen Schal fest.
»Ich sage ja nicht, dass ich vor Freude in die Luft springe«, räumte sein Kumpel ein.
»Wir haben noch nie zuvor jemanden umgebracht, aber er hat uns auch ein Fässchen Rum und einen Sack voll Gold versprochen.«
»Ein Sack voll Gold hilft uns auch nicht, wenn wir geschnappt werden. Warum sollten wir es riskieren, am Galgen zu landen? Ich sage, wir nehmen ihm seine Börse ab und lassen ihn hier liegen. Wenn er aufwacht, sind wir längst über alle Berge.«
Sie waren so in ihre Diskussion vertieft, dass keiner von ihnen Ashers heimliches Treiben bemerkte. Sein Kopf schmerzte entsetzlich, und er fürchtete, dass ihm von jeder plötzlichen Bewegung schwindelig werden könnte, was über Erfolg oder Misserfolg seines Befreiungsversuches entscheiden konnte. Ganz langsam streckte er die Hand nach seinem Stiefel aus, und seine Finger hatten sich gerade um den Messerschaft geschlossen, als einer der beiden Männer rief:
»He, pass auf. Der Kerl ist wach. Schnapp ihn dir!«
Beide stürzten zu Asher, der mit zusammengebissenen Zähnen trotz des Pochens in seinem Kopf aufsprang und sich ihrem Angriff entgegenwarf. Im Dunkeln hatte keiner der beiden Schurken bemerkt, dass ihr bislang hilfloses Opfer inzwischen bewaffnet war; erst als Ashers Messer dem Mann mit dem schwarzen Tuch den Arm bis auf den Knochen aufschlitzte und er dem anderen eine Stichverletzung an der Schulter zugefügt hatte, zogen sie sich zurück. Asher folgte ihnen, wobei er sich auf den mit dem blauen Schal konzentrierte. Er hielt ihn für den Anführer der beiden; er war es gewesen, der mit der Pistole auf ihn gezielt hatte, und Asher wollte ihn ausschalten – nicht umbringen, nur kampfunfähig machen.
Asher schloss zu ihm auf und schlug ihm mit dem runden Schaftende kräftig gegen die Schläfe. Der Mann stöhnte und sackte in sich zusammen. Asher beugte sich über den am Boden Liegenden und zog ihm die Pistole aus dem Hosenbund.
Mit ihr in der Hand und behände wie eine Katze drehte Asher sich um und wandte sich dem anderen Räuber zu. Der Mann mit dem schwarzen Schal umklammerte seinen blutenden Arm, wich so rasch rückwärts, wie es ihm nur möglich war, und rief:
»Lassen Sie uns gehen. Wir wollen nichts von Ihnen.«
Asher war schwindelig, er stand schwankend da und antwortete:
»Da habe ich aber etwas ganz anderes gehört, während ich dort drüben auf dem Boden lag. Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich mehrmals die Worte ›Mord‹ und ›töten‹ vernommen.«
Der Mann schluckte vernehmlich.
»Es stimmt – der vornehme Herr hat uns angeheuert, um Sie zu töten, aber wir waren darauf nicht scharf. Mord schmeckt uns nicht.«
Im Stillen musste Asher ihm beipflichten, obwohl er natürlich froh war, nicht länger ihrer Gnade ausgeliefert zu sein. Nachdem er den Mann ihm gegenüber durchsucht und an ihm keine andere Waffe gefunden hatte als eine Klinge, die der ähnelte, die er selbst bei sich trug, trat er zurück. Er schaute von ihm zu dem Räuber auf dem Boden und wieder zurück. Dann überraschte er den Mann vor ihm, indem er plötzlich die Hand ausstreckte und ihm den Schal vom Gesicht zerrte. Es war noch nicht so dunkel, dass er nichts erkennen konnte, daher schaute er ihn genau an und prägte sich seine Züge ein.
Ohne ihn aus den Augen zu lassen, ging Asher zurück zu dem anderen Mann und riss auch ihm den Schal herunter. Er hatte nicht damit gerechnet, einen der beiden wiederzuerkennen, und er behielt recht. Sie waren ihm beide fremd. Sie hatten nichtssagende Züge, der mit dem schwarzen Schal jüngere und vollere als sein Kumpan; eine Narbe, vermutlich von einer Messerstecherei, zog sich über die Wange des Bewusstlosen. Er würde beide Männer wiedererkennen, und es
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