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Der sueße Kuss der Luege

Der sueße Kuss der Luege

Titel: Der sueße Kuss der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Kinderwagens nach hinten, damit sie es bequemer hat, dabei fällt mir auf, dass Emil verschwunden ist. Verdammt. Er muss auf dem Weg zu Andreas Stand aus dem Netz gefallen sein. Diego und ich überlegen, ob wir zurückgehen sollen, aber Diego glaubt, dass es wenig Sinn macht. Und weil ich weiß, wie froh Yukiko sein wird, wenn das hässliche alte Ding endlich weg ist, gebe ich ihm recht. Allerdings muss ich mir eine gute Geschichte für Ida überlegen, denn sie wird untröstlich sein, wenn sie aufwacht und Emil nicht mehr da ist. Ich werde ihr sagen, dass Emil verreist ist, so wie Felix in ihrem Bilderbuch.
    Zusammen schieben wir den Kinderwagen zurück und seine Hand liegt die ganze Zeit auf meiner.
    Und ich kann immer noch spüren, wie schön sich das angefühlt hat, und ich will immer noch nicht wahrhaben, dass das alles nur eine einzige Lüge war. Es geht einfach nicht in meinen Kopf. Ich trinke einen Schluck Kaffee, den mir Kriminaldirektorin Rolfs gebracht hat, denn was jetzt kommt, wird noch viel schwerer. Ich erinnere mich nur bruchstückhaft, denn alles ist wie verkleistert unter einer Art Glückszuckerguss oder man könnte auch sagen, dass meine Erinnerung verschwommen ist, weil ich vor lauter Liebe blind war.

Lu an Pfingsten, 27. und 28. Mai 2012
    Das letzte Mai-Wochenende war so unfassbar schön, dass jede Hollywood-Lovestory daneben alt aussehen würde. Heute kommt es mir so vor, als hätte ich von Freitag bis zum Pfingstmontag nicht bloß Luft geatmet, sondern ganz besondere Glückskristalle, die meinen Körper mühelos in ein schwereloses Leuchten verwandelt haben, das mit einem breiten Grinsen über mir schwebte. Zusammen mit Diego war alles, alles so einfach und leicht, so, als hätten wir schon immer zusammengehört.
    Das Wochenende beginnt mit einer Lüge. Ich behaupte Basti gegenüber, ich würde Pfingsten bei Ellen verbringen, weil wir ein Referat über Goethes Werther schreiben müssten. Basti ist das ziemlich egal, weil er einen Castingtermin für Rasierschaumwerbung hat und total nervös ist. Daraus ist später nichts geworden, wie so oft.
    Diego treffe ich am Hauptbahnhof, weil er dort ein Mietauto für uns organisiert hat, und wir düsen nach Ligurien in Italien ab.
    Er rast wie ein Weltmeister, aber ich fühle mich neben ihm völlig sicher. Für die langen Stunden hat er jede Menge Leckereien von Chips bis Gummibärchen eingekauft und statt lauter und ätzender Musik – mit der mich meine Brüder immer quälen – hat er echt spannende Hörbücher dabei, und zwar alle Bände von Das Tal. Aber das Beste ist seine gute Laune, die anhält, obwohl wir stundenlang fahren. Als wir hinter dem Brenner auf einer Landstraße in einen Stau geraten, steigt er plötzlich wortlos aus dem Auto. Ich bin irritiert, denke erst, er muss pinkeln, aber dann steht er schon nach ein paar Augenblicken wieder neben dem Auto und hat eine ganze Wiese auf seinem Arm: Butterblumen, rosa Klee, weiße Schafgarbe, Tausendschön und lila Blumen, die ich nicht kenne. Mit einem strahlenden Lächeln streckt er sie mir hin. »Für die schönste aller Blumen!«, sagt er, und weil er dazu so frech grinst, kann ich den Kloß in meinem Hals runterschlucken und mich ganz entspannt freuen. Etwas später, immer noch in diesem Stau, küssen wir uns zum ersten Mal so richtig, und das ist der nächste Hammer. Als hätte ich das vorher noch nie getan, so aufregend ist das, ich bin froh, schon zu sitzen, alles an mir fängt an zu zittern und mein Herz hämmert wie verrückt. Erst als hinter uns gehupt wird, weil wir nicht gemerkt haben, dass sich der Stau aufgelöst hat, lassen wir uns los, können aber die Augen nicht voneinander wenden und mir wird klar, dass mit Diego alles anders werden wird als mit den Typen vorher.
    Verbindlicher, richtiger, ernster.
    Er ist ein Mann und kein Milchbubi und für einen Moment habe ich Angst, ob ich dem gewachsen sein werde.
    Wir brauchen über zwölf Stunden, bis wir in Ligurien ankommen. Wir fahren über schmale Landstraßen, die sich in endlosen Serpentinen hinziehen, bis das Meer unter uns auftaucht, das vor einem blauroten, fast schon lila Himmel dunkelgrün schimmert. Und die Gischt auf den Wellen unten am Strand wirkt von oben wie hauchzart hingetupfte orangefarbige Schaumkleckse.
    Wir essen in einem kleinen Restaurant an einem schwarzen Strand zu Abend, und obwohl das Essen köstlich und der Wein süffig ist, bringe ich kaum etwas herunter, weil ich schon wie trunken bin allein vom

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