Der sueße Kuss der Luege
Showstars!
»Ich dachte, Sie mögen mich.« Er lachte leise.
»Aber das tue ich doch. Allerdings schätze ich es gar nicht, wenn man in meine Wohnung eindringt und mich brutal fesselt.«
Es gefiel ihm, dass sie versuchte, so zu tun, als wäre dies hier eine Therapiestunde und sie wäre immer noch an der Macht.
Es gefiel ihm vor allem, weil es nicht der Wirklichkeit entsprach.
Er hatte jetzt die Macht.
»Wollen Sie mich heiraten?« Er wusste selbst nicht genau, warum er das fragte, und verfluchte sich sofort dafür. »War nur ein Witz!«, fügte er deshalb gleich hinzu, aber sie hörte ihm gar nicht mehr zu.
»Nein, Jan, das geht nicht.« Ihre Stimme war voller Panik, laut und schrill. »Verstehen Sie, meine Antwort ist nein!«
Wut stieg in ihm hoch, Wut auf sich selbst, Wut auf diese Kreatur, die auch nur wieder mit ihm gespielt hatte.
»Jan, das müssen Sie verstehen, es ist so, ich kann Sie gar nicht heiraten, ich liebe nur Frauen«, schob sie hastig nach. »Und das haben wir doch auch gemeinsam, oder?«
Klar mochte er Frauen. Er war schließlich ein Mann mit normalen Bedürfnissen. Aber dann dämmerte ihm, dass Dr. Becker etwas anderes gemeint haben musste.
»Was soll das heißen?«, zischte er.
»Nach allem, was Sie mir von Diego erzählt haben, da dachte ich, Sie würden sich für Männer…«
Was sagte sie da für einen Scheiß? Dachte sie, dass er so ein Scheißschwuler war? War er das für sie, nur so ein Scheißschwuler, war er das etwa für sie?
Er trat vor und rammte ihr seine Faust mit aller Gewalt ins Gesicht und dann krachte es und Jan Gohlis verlor einmal mehr die Kontrolle über sich und seine Handlungen.
Lu am Donnerstag, dem 7. Juni 2012, Fronleichnam, 22:00 Uhr
Auf dem Weg ins Krankenhaus wird mir zunehmend flauer, und als wir endlich dort ankommen, geben mir die Ärzte sofort eine Betäubungsspritze, dann wird die Naht korrigiert und danach werde ich an ein intravenöses Schmerzmittel gehängt.
Seitdem ist mir so elend, dass ich, obwohl alles in mir danach schreit, wieder zurück in Yukikos Wohnung zu fahren, erkennen muss, dass ich besser hierbleiben sollte. Sebastian ist froh über meinen Entschluss, verspricht mir, mich anzurufen, wenn sich etwas tut, aber trotzdem fühle ich mich wie abgeschnitten von allem Leben und aller Information.
Weil wir vergessen haben, etwas zum Übernachten für mich mitzunehmen, und ich das blutige T-Shirt gern ausziehen wollte, haben mir die Schwestern ein Krankenhausnachthemd besorgt. Danach haben sie mich in ein Einzelzimmer verfrachtet, worüber ich sehr froh bin, denn ein Schnarcher würde mir jetzt den Rest geben. Ich kann trotzdem nicht schlafen, weil sich all meine Gedanken um Ida drehen. Jedes Mal wenn ich die Augen schließe, sehe ich entweder Jan Gohlis alias Patrick vor mir, wie er mit dem Kopf auf den Rand des DLRG-Jetskis kracht, oder Ida, die mit einem abgeschnittenen Zopf auf der grünen Decke sitzt und erbärmlich schluchzt.
Und da muss ich auch weinen, die Tränen laufen mir einfach über das Gesicht und ich kann gar nicht mehr damit aufhören. Irgendwann, ich weiß nicht, wie spät es ist, aber es muss mitten in der Nacht sein, kommt die Oberschwester, eine große weißhaarige Frau, die mich mit finsterer Miene mustert und dann den Kopf schüttelt, als würde es ihr nicht passen, dass auf ihrer Station geweint wird.
Sie überprüft meine Infusion und hängt dann einen neuen Beutel an den Ständer neben meinem Bett. »Das ist gegen die Schmerzen und für Ihren Kreislauf«, erklärt sie. Sie zupft an meiner Decke herum, betrachtet mich aufmerksam und dann wird ihre Miene spürbar weicher. »Möchten Sie etwas zum Einschlafen?«, fragt sie und schaut mir freundlich ins Gesicht. Ich schüttele den Kopf. Wenn ich nur genug nachdenke, stoße ich vielleicht auf etwas, das Ida helfen könnte. Solange Ida nicht zu Hause ist, darf ich auch nicht schlafen!
Die Oberschwester streicht über meinen Arm. »Schlaf würde Ihnen sehr guttun. Ich bin sicher, dass Sie Ihrer Nichte viel nützlicher sein können, nachdem Sie ein paar Stunden geschlafen haben.«
Alle hier wissen, was passiert ist, und ich frage mich, ob sie sich darüber einig sind, dass Idas Entführung ganz allein meine Schuld ist.
»Und wenn meine Nichte stirbt, während ich hier im Bett liege und selig vor mich hin träume?«, flüstere ich und bin selbst entsetzt über meinen Gedanken.
Die Schwester beugt sich tief zu mir hinunter, sodass ich ihre wachen hellblauen Augen,
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