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Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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zugehört, Junge?«
    Cowart hob beschwichtigend die Hand. »Ich wollte nur …«
    »Was Sie wollten, zählt nicht! Hier geht es nur um das, was ich will!«
    »In Ordnung.«
    Sullivan blickte durch die Gitterstäbe. Er atmete tief ein und senkte die Stimme. »Und jetzt ist es Zeit für eine letzte Geschichte, Cowart. Bevor sie mir Feuer unterm Hintern machen und ich dieser schnöden Welt den Rücken kehre.«
    Cowart fühlte sich ausgelaugt. Er bekam einen trockenen Mund und einen Kloß im Hals.
    »Und jetzt erzähle ich Ihnen die Wahrheit über die kleine Joanie Shriver. Vor Gericht nennen sie das eine Erklärung auf dem Sterbebett. Sie gehen offenbar davon aus, dass niemand mit einer Lüge auf den Lippen hinübergehen will.«
    Er lachte laut. »Das heißt, es muss die Wahrheit sein …« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »… wenn Sie es glauben können.«
    Er starrte Cowart an. »Die schöne kleine Joanie Shriver. Die makellose kleine Joanie.«
    »Nummer vierzig«, sagte Cowart.
    Blair Sullivan schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Ich verstehe nicht.«
    Er lächelte. »Ich hab sie nicht umgebracht.«
    Cowart zog sich der Magen zusammen, und er spürte, wie ihm der Schweiß aus den Poren trat.
    »Was?«
    »Ich hab sie nicht umgebracht. All die anderen gehen auf mein Konto, aber die Kleine nicht. Sicher, ich war in Escambia County, und so viel steht fest: Hätte ich sie da stehen sehen, wäre ich auch in Versuchung geraten. Ich hätte mit ihr genau dasselbe gemacht. Ich hätte die Scheibe runtergekurbelt und gesagt: ›He, kleines Schulmädchen, komm mal rüber …‹ Klare Sache. Hab ich aber nicht. Nein, ihr Tod geht nicht auf mein Konto.«
    Er schwieg einen Moment und wiederholte: »Nicht schuldig.«
    »Aber der Brief …«
    »Jeder kann einen Brief schreiben.«
    »Und das Messer …«
    »Na ja, da liegen Sie richtig. Das war tatsächlich das Messer, mit dem das arme Mädel ermordet wurde.«
    »Aber ich verstehe nicht …«
    Blair Sullivan hielt sich die Seiten. Sein Gelächter ging in einen trockenen Husten über, der durch den Gefängnisflur hallte. »Darauf habe ich gewartet«, sagte er. »Auf dieses Gesicht habe ich so gewartet.«
    »Ich …«
    »Das ist unnachahmlich, Cowart. Sie sehen aus, als wären Sie ein bisschen durch den Wind. Als kämen Sie gleich auf den Stuhl und nicht ich. Was läuft da gerade in Ihrem Oberstübchen ab?« Sullivan tippte sich an die Stirn.
    Cowart machte den Mund zu und starrte den Mörder an.
    »Sie haben sich ja für so schlau gehalten, nicht wahr, Cowart? Sie dachten, Sie hätten den Durchblick. Und jetzt sag ich Ihnen mal was, Mr. Pulitzer-Preis-Reporter: So schlau sind Sie nicht.«
    Er lachte und hustete weiter.
    »Was ist wirklich geschehen?«, fragte Cowart.
    Sullivan sah auf. »Haben wir noch genug Zeit?«
    »Ja«, antwortete Cowart mit zusammengebissenen Zähnen. Der Mann in der Zelle stand auf und fing an, in der Zelle hin und her zu gehen.
    »Mir ist kalt«, sagte der Mörder.
    »Wer hat Joanie Shriver auf dem Gewissen?«
    Blair Sullivan blieb stehen und grinste. »Als ob Sie das nicht wüssten«, erwiderte er.
    Cowart hatte das Gefühl, als täte sich der Boden unter ihm auf. Er griff nach dem Stuhl, seinem Notizbuch, seinem Stift und versuchte, sich zu fassen. Er sah, wie sich in der plötzlich eingetretenen Stille die Tonwelle seines Aufnahmegeräts drehte.
    »Sagen Sie schon!«
    »Na schön, Cowart. Stellen Sie sich zwei Männer in benachbarten Zellen im Todestrakt vor. Einer von ihnen will raus, weil er durch die mieseste Anklage da reingekommen ist, die je ein Detective zusammengestoppelt hat, von Hinterwäldlern auf der Geschworenenbank für schuldig befunden, für die er wahrscheinlich der verrückteste Mörder-Nigger war, den sie je gesehen hatten. Natürlich haben sie ihn zu Recht verurteilt, nur eben mit den lahmsten Begründungen. Dieser Mann ist ungeduldig und wütend. Der andere Mann dagegen weiß, dass er früher oder später mit dem elektrischen Stuhl Bekanntschaft machen wird. Bestenfalls ist ein bisschen Aufschub drin, aber er weiß, der Tag wird kommen. Und was ihm am meisten zu schaffen macht, ist ein Stück unerledigter Hass. Da ist noch dieser glühende Wunsch, er will unbedingt, dass es geschieht, und sei es erst kurz vor seinem Tod – etwas so abgründig Unrechtes und Böses, dass er nur einen Menschen auf Erden kennt, den er darum bitten könnte.«
    »Wen?«
    »Jemanden wie er selbst.« Sullivan sah Cowart mit einem so furchterregenden

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