Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
Allerdings auch für mich. Obwohl ihn da keiner ausstehen kann, fühlt er sich auf so vertrautem Terrain sicher. Ein guter Ort für ihn, etwas anzufangen und zu Ende zu bringen. Und genau da, denke ich, geht er hin.«
Cowart nickte und deutete mit dem Kopf aufs Telefon. »Also. Dann rufen Sie dort an. Lassen Sie das Haus seiner Großmutter observieren. Lassen Sie ihn verhaften.«
Brown schwieg eine Weile, bevor er zum Telefon trat. Er tippte schnell einige Nummern ein und wartete, bis sich am anderen Ende jemand meldete. »Zentrale? Hier spricht Lieutenant Brown. Stellen Sie mich bitte zum diensthabenden Beamten durch.«
Wieder trat Schweigen ein, dann sagte er: »Randy? Tanny Brown. Hör mal, ich brauche deine Hilfe. Im Moment möchte ich noch nicht sagen, worum es geht, aber ich hätte eine Bitte an dich: Postiere einen Tag lang je einen Streifenwagen vor der Highschool und vor meinem Haus. Und die beiden, die du zu mir nach Hause schickst, sollen meinem alten Herrn sagen, ich käme so schnell wie möglich zurück und erklär ihm alles. In Ordnung?«
Der Detective schwieg und hörte dem Kollegen am anderen Ende der Leitung zu. »Nein, nein, tu einfach nur, worum ich dich bitte, okay? Ist wirklich nett von dir. Nein, um meinen Vater braucht ihr euch keine Sorgen zu machen, der kommt schon klar. Es geht um meine Töchter …« Er verstummte, hörte zu und sagte: »Nein, nichts Dramatisches, und ich kümmere mich um den Papierkram, sobald ich zurück bin. Wenn ich es schaffe, noch heute. Spätestens morgen. Wonach sie Ausschau halten sollen? Nach jemandem, der da nichts zu suchen hat. Verstanden? Egal wer.« Er legte auf.
»Sie haben ihnen nichts von Ferguson gesagt«, sagte Cowart erstaunt. »Sie haben ihnen überhaupt nichts erzählt.«
»Ich hab ihnen gesagt, was sie wissen müssen. Allzu groß kann sein Vorsprung nicht sein. Wenn wir uns beeilen, holen wir ihn ein, bevor er mit uns rechnet.«
»Und was ist, wenn …?«
»Kein Wenn und Aber, Cowart. Bis wir da sind, halten ihn die Streifenwagen in Schach. Und dann gehört er mir.« Er funkelte ihn an. »Mir, ist das klar? Ich bringe die Sache zu Ende.«
Es herrschte knisterndes Schweigen. Schließlich ging Cowart zu seinem Schreibtisch und fand einen Flugplan in einem Fach seines Reisekoffers.
»Nach Atlanta geht der nächste Flieger um 12:00 Uhr. Wir können von dort nach Birmingham fliegen und uns da ein Auto nehmen. Bis der Tag zur Neige geht, sind wir da.«
Tanny Brown nickte. Auf seinen fragenden Blick hin signalisierte Shaeffer ihr Einverständnis.
»Bis der Tag zur Neige geht«, murmelte der Polizist.
26
Ein dorniger Weg
A ls sie in zügigem Tempo von Alabama nach Escambia fuhren, kündete der Himmel bereits von der heraufziehenden Nacht. Im Süden war das leuchtende Türkis schon verblasst und einem schmutzigen Graubraun gewichen, dem Vorboten einer Schlechtwetterfront. Ein heißer Wind blies in Böen aus unterschiedlichen Richtungen, rüttelte gelegentlich an ihrem Wagen und vertrieb die letzte Kälte, die sie aus dem Nordosten noch in den Knochen spürten. Sie kamen an staubtrockenen Gehöften und vereinzelten hohen Kiefern vorbei, und Cowart fühlte sich an Zuschauer in einem Stadion erinnert, die im spannendsten Moment des Spiels von ihren Bänken springen und die Arme über die Köpfe reißen. Ihr rasantes Tempo entsprach der Rastlosigkeit und der Ungewissheit, was sie bei ihrer Ankunft erwartete, und der Sorge, nicht rechtzeitig einzutreffen. Die Landschaft flog an ihnen vorbei; die schmale Straße schien nicht einmal genug Platz zum Atmen zu gewähren. Als sie sich einem alten, klapprigen Schulbus näherten, der vor ihnen gemächlich die einzige Spur entlangholperte, hielt sich Cowart an der Armlehne fest. Tanny Brown musste fest auf die Bremse treten, um auf das altersschwache Vehikel nicht aufzufahren. Als Cowart aufblickte, las er auf der Rückseite oberhalb der Tür des Notausstiegs in leuchtend hellem Rot die handgeschriebenen Worte: NOCH IST ES NICHT ZU SPÄT, DEINEN HEILAND ANZUNEHMEN!
Und darunter, etwas kleiner, aber nicht minder schwungvoll geschrieben: NEUE ERWECKUNGSKIRCHE, PACHOULA, FLA.
Und schließlich auf der Stoßstange die unübersehbare Aufforderung: FOLGE MIR ZU JESUS!
Cowart kurbelte das Fenster herunter und hörte die jubilierenden Stimmen des Kirchenchors, die in der flirrenden Hitze durch das Ächzen und Stöhnen des Dieselmotors vor ihnen drangen. Doch sosehr er die Ohren auch spitzte, er konnte den Text des
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