Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
trocken, mit einer angenehmen kühlen Brise. Oben ein endloser strahlend blauer Himmel und unten lauter Frühlingsblumen. Ein richtig schöner Tag zum Sterben. Und nun stellen Sie sich mal vor, wie wunderbar kühl es im Sumpf gewesen sein muss, im Schatten der Pflanzen und Bäume. Vielleicht hat der Mann, der die kleine Joanie – was für ein hübscher Name – getötet hat, sich hinterher einfach noch ein Weilchen auf den Rücken gelegt und ein paar Minuten den prächtigen Tag genossen? Und sich im Schatten ein bisschen abgekühlt?«
»Wie kühl war es denn?«
Blair Sullivan stieß ein spitzes Lachen aus. »Also, wirklich, Cowart, woher soll ich das denn wissen?«
Er zog keuchend die Luft ein und pfiff zwischen den Zähnen. »Überlegen Sie mal, was diese beiden Holzköpfe von Polizisten liebend gerne wissen würden. Zum Beispiel über Kleider und Blutflecken und wieso sie keine Fingerabdrücke oder Haare oder Schmutzpartikel und all so ’n Zeug gefunden haben.«
»Und wieso nicht?«
»Na ja«, erwiderte Sullivan vergnügt, »wenn Sie mich fragen, kannte der Mörder der kleinen Joanie sich gut genug aus, um ein Bündel frische Kleider dabeizuhaben. So dass er die blut- und dreckverschmierten Sachen ausziehen und irgendwo entsorgen konnte. Wahrscheinlich war er so gescheit und hatte in seinem Wagen auch ein paar extragroße alte Müllsäcke dabei, in die er die blutigen Klamotten packen konnte, damit sie niemandem auffielen.«
Cowart zog sich der Magen zusammen. Er entsann sich, wie ihm ein Detective aus Miami erzählt hatte, an dem Abend seiner Festnahme hätten sie im Kofferraum von Blair Sullivans Wagen Kleider zum Wechseln und eine Rolle Müllsäcke gefunden.
Einen Moment schloss er die Augen, dann fragte er nach: »Wo würde der Mörder die Sachen entsorgen?«
»Na ja, zum Beispiel bei einer Altkleidersammelstelle der Heilsarmee, so was gibt’s in dem Einkaufszentrum kurz vor Pensacola. Allerdings natürlich nur, wenn sie nicht allzu dreckig sind. Oder, wenn er richtig vorsichtig ist, in einem dieser Altkleidercontainer, diesen Dingern, die immer an den Highway-Raststätten stehen. Zum Beispiel an dieser richtig großen am Willow Creek. Die werden jede Woche geleert, und der Inhalt kommt direkt auf die Mülldeponie. Niemand wirft auch nur einen Blick auf das Zeugs, das sie da abkippen, es verschwindet unter Tonnen von Müll. Finden Sie nie wieder.«
»Ist es so gewesen?«
Sullivan beantwortete die Frage nicht, sondern redete einfach weiter: »Ich wette zehn zu eins, dass diese Cops und Sie natürlich auch und vielleicht die trauernden Eltern der Kleinen gerne wüssten, wieso in aller Welt das Mädchen bei dem Mann eingestiegen ist, he? Ich meine, ist das nicht höchst seltsam? Wie kam sie nur dazu?«
»Sagen Sie’s mir.«
Er zischte in die Leitung: »Gottes Wille, Cowart.«
Einige Sekunden lang herrschte Schweigen.
»Oder vielleicht des Satans, Cowart? Vielleicht hatte Gott einfach einen schlechten Tag und hat seinem ehemaligen Generalbevollmächtigten freie Hand gelassen?«
Cowart sagte nichts, sondern horchte nur auf die geflüsterten Worte, die ihm in den Ohren widerhallten.
»Wie auch immer, Cowart, wetten, dass derjenige, der dieses kleine Mädchen in seinen Wagen gelockt hat, so was in der Art gesagt hat: ›Hallo, wärst du wohl so nett, mir zu sagen, wo ich lang muss? Ich hab mich verfahren und weiß nicht, wo ich hier eigentlich bin.‹ Und jetzt sagen Sie bloß, da hätte nicht Gott die Hand im Spiel gehabt. Diesen Mann im Auto, also, ich seh den Kerl klar und deutlich vor mir. Und wieso er nicht mehr wusste, wo’s langging, Cowart, im doppelten Sinne. Aber an dem Tag hat er ja wieder zu sich gefunden, nicht wahr?«
Sullivan inhalierte hörbar den Rauch seiner Zigarette, bevor er fortfuhr: »Und was wird er wohl sagen, als das kleine Mädchen ihm seine Aufmerksamkeit schenkt? Vielleicht sagt er: ›Soll ich dich das kurze Stück nach Hause mitnehmen?‹ In völlig normalem Ton.«
Erneut zögerte Sullivan. »Als wär’s das Selbstverständlichste auf der Welt. Nur dass ein Alptraum draus wird – genau das, wovor diese guten Leute die Kinder immer warnen, wenn sie ihnen einschärfen, sich von Fremden fernzuhalten.«
Er legte eine Pause ein, bevor er in beschwingtem Ton hinzufügte: »Nur dass sie nicht drauf gehört hat, he?«
»Haben Sie das zu ihr gesagt?«, fragte Cowart mit brüchiger Stimme.
»Habe ich etwa behauptet, ich hätte das zu ihr gesagt? Habe ich das mit einer
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