Der Symmetrielehrer
kostete er, und … o Wunder!
»Bravo! Bravissimo!!« jubelte der Koch und schmatzte genüsslich (das gesamte Trio legte los), und in diesem Moment ertönte vor dem Fenster draußen der Ruf:
»Signor Rossini ! Frisches Grünzeug! Sellerie, Signor Rossini ! Basilikum!«
»Rossini! ROSSINI !« rief es nun im Saal. Endlich hatte es gefunkt …
» Basilikum !« zeterte der Maestro. »Wo warst du bloß, sforzato-furioso?«
Vor lauter Zorn nahm er einen zu großen Schluck aus dem Schöpflöffel und hüpfte umher, da er sich verbrüht hatte.
»Diavolo! Aber jetzt ist es ja viel besser! Was habe ich nur hineingetan?! Wie kann ich das je wiederholen? Noch ein Rezept, das für immer verloren ist … Welches Thema erklang dabei??«
Rossini ging verzweifelt seine Kräuter durch, ohne sich erinnern zu können, was es war. Die Musik aus den Kulissen hatte die uneindrücklichen Bruchstücke, die im Lauf der Opernzubereitung erklungen waren, zusammengefügt, sie wuchs und weitete sich nun auf wundersame Weise. Nach einer erneuten Kostprobe blieb Rossini rundum zufrieden und ärgerte sich nicht mehr über die Musik, sondern dirigierte sogar mit dem Schöpflöffel; er trat an die Rampe, der Vorhang fiel; darauf standen seine Kochrezepte geschrieben, und während er sie las wie Noten, dirigierte Rossini seine letzte Messe.
Oh, was für eine Musik das war! Das Publikum raste. Der Vorhang hob sich und fiel.
Aus den Kulissen kamen wie Gespenster die Musiker hervor, alle in Schwarz. Das Trio: der Schlagzeuger mit Kupferkochtöpfen, glänzend wie Pauken, der Bläser mit einer merkwürdigen Holzröhre bis zum Boden (ein Fagott! – endlich hatte ich erblickt, wie es heißt!) und unser Violo mit leicht humpelndem Kontrabass.
»Bravo! Bravissimo!« Noch und noch führten sie ein und denselben Trick vor: Sie traten einen Schritt zurück und waren verschwunden, ununterscheidbar von den ebenfalls schwarzen Kulissen warteten sie auf einen neuerlichen Beifallssturm, dann machten sie einen Schritt nach vorn und lösten Schwarz von Schwarz.
Zur gleichen Zeit waren auch die Feuerwehrleute heftig zugange, sie löschten das Feuer im Herd, schleppten einen langen Tisch herein, deckten ihn und plazierten mittendrauf die gigantische dampfende Speise, soeben zubereitet von Rossini persönlich. Der Maestro befehligte die Brigade.
Das Publikum drängte sich an der Rampe und klatschte weiter, unschlüssig, ob die Aufführung zu Ende oder ob das ihre Fortsetzung war. Unschlüssig war auch Rossini, der sich derart in seine Rolle eingelebt hatte, dass er nun ganz im Ernst einen unbändigen Appetit hatte. Hier nahm unser Autor (Violo) seine eigene Erzählung in die Hand und lud alle Beteiligten zu Tisch, auf die Bühne, einschließlich jenes Publikums, das »etwas Trinkbares dabeihat«. Das Publikum stürzte ins Buffet und kaufte alles auf, was es dort gab (allein schon diese Einkünfte deckten alle Ausgaben für die Inszenierung). Der Tisch wurde mit Flaschen vollgestellt, und die Bühne war überflutet von Komparserie.
Gerda verteilte endlich die Programme, sie waren gestaltet wie Speisekarten und enthielten das Rezept des funkelnagelneuen Gerichts.
Alles trank und aß und war schon mitten im zweiten Akt des Schauspiels, nämlich in der Diskussion, wieso eigentlich Rossini, auf dem Höhepunkt seines Talents und seines Ruhms, plötzlich alles aufgab und sich mit Kochkunst abgab. Und Violo verriet uns die Geschichte, die ihn unmittelbar auf seinen Einfall gebracht hatte.
Während seiner Blütezeit, als Rossini eine neue Musik egal wann und egal wo gleich ins reine schreiben konnte (zum Beispiel auf der Bühne, sogar während der Proben fremder Musik), musste er einmal bis zum nächsten Morgen eine Ouvertüre fertigstellen. Schon damals war er den Gaumenfreuden zugetan, und spätabends nach Hause gekommen, stoppelte er diese Ouvertüre zusammen, doch als er sich ins Bett fallen ließ, glitten die Blätter der Partitur hinab und segelten unters Bett. Geweckt wurde er vom Intendanten der Oper, der unverzüglich die Herausgabe der Ouvertüre verlangte. Die Noten lagen unterm Bett, sich hinunterzubeugen war beschwerlicher, als eine neue Ouvertüre zu komponieren, die mit der unterm Bett nicht das mindeste gemein hatte, und sich diese ins Gedächtnis zu rufen, war noch beschwerlicher, als sie hochzuheben.
»Genauso ist es mit Kochrezepten«, erläuterte der Autor.
»Darum ist Kochen auch eine Kunst – alles Zufall. Hauptsache, die Zutaten sind
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