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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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einer zerknitterten Zeitung. »Sehen Sie?«
    Er hielt ihr das Blatt unter die Nase, und ihr sprang die Schlagzeile mitten auf der Seite entgegen: ANKLAGE WEGEN MORDES FALLEN GELASSEN ; DEAL TROTZ SCHUSS AUF POLIZISTEN .
    »Gibt es ein Problem?«, erkundigte sich die alte Frau.
    Espy Martinez schüttelte den Kopf, doch das war gelogen. »Kann ich die behalten?«, bat sie.
    Der alte Mann nickte und berührte dazu mit dem Zeigefinger den Rand seines Huts.
    »Wir müssen rein«, meinte der andere alte Mann. »Sonst sind sämtliche guten Plätze weg.«
    »Stimmt das, Espy?«, wollte die alte Frau wissen. »In dem Artikel heißt es, er hilft Ihnen bei einem anderen Fall, und deshalb erhält er einen Deal. Stimmt das? Ich hasse es, wenn diese schrecklichen Menschen was aushandeln können. Wenn’s nach mir ginge, würden Sie dafür sorgen, dass die alle ins Gefängnis wandern, meine Liebe. Selbst wenn er hilft, wäre es sicher gut, wenn Sie ihn hinter Schloss und Riegel brächten, denn ich glaube nicht, dass er ein netter Mann ist? Der bestimmt nicht, oder. Er ist ein schlechter Mensch. Sind Sie sicher, dass Sie keine andere Wahl haben?«
    Espy Martinez antwortete nicht. Stattdessen überflog sie den Artikel. Er enthielt wenig Einzelheiten, nur die wesentlichen Fakten, dass Leroy Jeffersons Unschuld im Mordfall Sophie Millstein bewiesen sei und er an diesem Morgen vor Gericht erscheinen werde. Auch wenn der Artikel seine Kooperation mit der Staatsanwaltschaft nicht direkt mit den Ermittlungen zu ihrem Mord in Verbindung brachte, so lag der Zusammenhang doch auf der Hand. Von Abe Lasser wurde eine vorhersehbare Aussage zitiert, wonach man natürlich Heiligen als Zeugen den Vorzug gebe, sich aber manchmal einfach gezwungen sehe, sich mit dem zu begnügen, was nun einmal da war. Sie konnte diesen Satz Lassers »Mitternachtsspitzen« zuordnen, wie er seine pointiert formulierten Binsenweisheiten nannte, die er einem Reporter vom
Herald
zum Fraß vorwarf, wenn er spätabends, lange nach Dienstschluss, in seinem Büro anrief.
    Sie machte ein gequältes Gesicht. Der Artikel war zwar nicht lang, reichte jedoch vollkommen aus, um angesichts einer Absprache, die sie lieber unter dem Deckel gehalten hätte, für einigen Wirbel zu sorgen.
    »Verdammt«, fluchte sie wieder. »Verdammt, Tommy Alter. Konntest du nicht den Schnabel halten?« Sie sah die drei alten Leute an. »Haben Sie irgendwelche Reporter vom
Herald
gesehen? Oder Fernsehteams …?«
    Sie nickten alle stumm.
    »Sind schon drinnen«, erklärte die alte Frau.
    »Komm schon.« Der alte Mann packte sie am Ärmel. »Wir bekommen keinen Platz mehr. Es ist gerappelt voll da drinnen, und ich will einen Stuhl.«
    Das Geier-Trio humpelte durch den Flur und ließ sie mit der Zeitung stehen. Sie drückte sie so fest, als hoffte sie, etwas von der Rage, die in ihr kochte, durch die Fingerspitzen loszuwerden und Haltung zu bewahren. Dann drehte sie sich abrupt um und folgte den alten Menschen in den Gerichtssaal.
    Eine einzige Fernsehkamera lauerte in einer Ecke. Der Mann dahinter drehte sich herum und entdeckte sie wie ein Scharfschütze, als sie den Mittelgang herunterkam. Es war ein dunkler Raum, eine Kreuzung aus dem alten Kirchenstil einiger Sitzungssäle, mit Holzbänken, tiefem Gestühl sowie Schranken aus brauner Eiche und ultramoderner eingelassener Beleuchtung in der Decke, die an ein Theater erinnerte. Diese Lampen wurden immer häufiger eingebaut. Das Ganze wirkte dann wie ein hoher Raum mit gedimmtem, perlweißem Licht, weder Wohnzimmer noch Theater. Es war, als sei der Gerichtssaal bewusst so konzipiert, dass jeder, der darin saß, sich unbehaglich fühlte. Um in dem schwachen Licht zu sehen, musste man die Augen anstrengen, und um zu hören, was vor der Schranke gesprochen wurde, musste man bei der kümmerlichen Akustik die Ohren spitzen. In Florida bewies dies einmal mehr, dachte sie, dass man sein Geld besser in die unvermeidlichen Schmiergelder an kompetente Handwerker investiert, als es an die große Zahl unfähiger Bauunternehmer zu verschwenden, egal mit wie vielen Stadtabgeordneten sie auf du und du sein mochten.
    Sie sah Tommy Alter zusammen mit zwei Kollegen am Tisch der Verteidigung sitzen und trat an ihn heran. »Sie Mistkerl«, flüsterte sie. »Das hier sollte kein gottverdammtes Affentheater werden.«
    Er wirbelte zu ihr herum. »Ebenfalls einen schönen guten Morgen, Espy.«
    »Ich hatte Ihr Versprechen, Tommy«, sagte sie bitter. »Das hier sollte im

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