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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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deutete auf einen schmuddeligen Aufenthaltsraum für die Fahrer, der sich immerhin eines Getränke-, eines Süßigkeiten- und eines Zigarettenautomaten rühmen konnte, wenn auch auf allen dreien ein handgeschriebener Zettel prangte: DEFEKT . Eine Handvoll Fahrer saß auf einer abgewetzten Kunstlederbank und wartete auf den Beginn der Schicht. Als Robinson eintrat und sich vorstellte, sahen sie auf.
    Ein älterer Mann mit einem schütteren grauen Haarkranz rund um die Glatze nickte, als er ihnen erklärte, wonach er suchte.
    »Die Route, das war ich mit dem Jungen«, sagte der Fahrer.
    »D-d-d-as stimmt«, stotterte ein wesentlich jüngerer Mann in einer wesentlich frischeren, saubereren Uniform.
    »Können Sie sich an diese Nacht erinnern?«
    »Eigentlich sind alle Nächte mehr oder weniger gleich. Rauf und runter. Rauf und runter. Spät in der Nacht meistens müde Leute. Und die Betrunkenen, natürlich. Weiß nicht, ob ich mich an irgendwas Besonderes erinnere …«
    »Ein junger Schwarzer. Nervös. Gehetzt …«
    »Nein …«
    »K-k-k-k-lar, d-d-d-a war einer, weißt du nicht mehr? Du m-m-m-m-usstest den K-k-k-erl anbrüllen, d-d-d-ass er sich s-s-s-s-etzen soll …«, fiel dem jüngeren Fahrer ein.
    Aufgeregt sah er den älteren Mann an, der nur genervt die Augen verdrehte.
    »Ich mach nicht gerne Ärger«, gab der Fahrer halbherzig zu seiner Entschuldigung an. »Geht mich nichts an. Ich bin nur der Fahrer.«
    »Raus damit«, forderte ihn Robinson auf.
    »Da gibt’s nicht viel zu sagen. Kerl steigt ein. Knallt ein paar Münzen in die Box. Der Bus ist fast leer, aber er bleibt stehen, sieht raus und wirkt ziemlich nervös, so wie Sie sagen. Labert mich immer wieder an, fahr los, Mann, fahr schon, wird’s bald. Als hätte er’s wahnsinnig eilig. Also habe ich ihn angebrüllt, er soll sich hinsetzen und die Schnauze halten, sonst könnte er was erleben … Aber er sagt, ich könne ihn mal, und ich sag ihm, ich schmier ihm gleich eine, und das geht so eine Weile weiter, bis ich ihm nach ein paar Haltestellen sage, er soll sich entweder setzen oder sich vom Acker machen. Da hat er sich hingesetzt. War keine große Sache, Detective. Kommt alle Tage vor.«
    »Wo ist er ausgestiegen?«
    »Godfrey Road. Ist in ’nen Stadtbus umgestiegen. Ich kann nicht sagen, wo er hinwollte, aber ich kann’s mir denken.«
    Walter Robinsons nickte. »Würden Sie den Kerl wiedererkennen?«
    »Kann sein. Ja, wahrscheinlich schon.«
    »B-b-b-estimmt«, beteuerte der jüngere Fahrer.
    »Falls Sie ihn sehen, rufen Sie mich an. Ich melde mich wieder bei Ihnen. Ich zeige Ihnen ein paar Fotos aus der Verbrecherkartei.«
    »Geht klar.«
    Robinson verließ den Busbahnhof. Er fuhr ein paar Häuserblocks weiter zur Collins Avenue, stellte den Wagen ab und lief zu Fuß zur Holzpromenade, die einst das Ingenieurscorps der Army errichtet hatte, um den alten Leuten den Weg zum Strand zu erleichtern. Er lehnte sich an das Holzgeländer und starrte auf die Wellen. Es herrschte eine leichte Brandung, als wollte der Ozean dem Sand und dem groben Korallengestein am Ufer seine Kraft sanft, aber bestimmt in Erinnerung rufen. Während er die heiße Salzluft seine Lungen reinigen ließ, sagte er sich einigermaßen erstaunt: Du hattest recht, verdammt. Er ist wahrhaftig mit dem Bus gefahren. Und jetzt hast du vielleicht tatsächlich eine Chance.
    Er atmete einmal tief ein und kam zu dem Schluss: zum Teufel mit der Statistik.
    Dann sagte er dem nächtlichen Himmel und der endlosen dunklen See und dem Mann, der vermutlich Sophie Millstein ermordet hatte: Du hast wohl geglaubt, du könntest einfach hier rüberkommen und eine kleine alte Frau ermorden, um sie auszurauben. Nun, da hast du dich getäuscht.
    Ich finde dich.

[home]
8
    Die Frau, die gelogen hatte
    D ie junge Frau schloss eine Jalousie, so dass der Raum in grauem Zwielicht lag. Eine Weile fingerte sie an dem Videogerät herum, dann durchzog ein grauer Streifen das Fernsehbild. Eine Sekunde später sah Simon Winter Sophie Millstein auf dem Bildschirm.
    Er lehnte sich vor und horchte gespannt. Die junge Frau setzte sich neben ihn.
    Sophie Millstein stand eine Mischung aus Aufregung und Unbehagen ins Gesicht geschrieben. Winter registrierte, dass sie eines ihrer besseren Sonntagskleider trug und frisch frisiert war. Ihre Hände steckten in weißen Handschuhen und hielten sich an einer farblich darauf abgestimmten kleinen Tasche fest. Einen Augenblick lang fragte er sich, wie ihm entgangen sein

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