Der Täuscher
derjenige, der Robert Carpenter angeschwärzt hat.«
»Natürlich«, sagte Rhyme nickend. »Er hat die Daten verändert, um Carpenter zu belasten und unsere Aufmerksamkeit von SSD abzulenken. Nicht wegen des Falls Fünf Zweiundzwanzig, sondern weil er nicht wollte, dass jemand die Server überprüft und feststellt, dass Cassel Polizeiunterlagen verkauft hat. Und wen wirft er den Wölfen zum Fraß vor? Jemanden, der versucht hat, SSD Konkurrenz zu machen.«
»Ist noch jemand von SSD in die Angelegenheit verwickelt?«, wandte Sellitto sich an Szarnek.
»Nicht laut dem, was ich gefunden habe. Nur Cassel.«
Rhyme schaute zu Pulaski, der eine der Wandtafeln anstarrte, 332
und zwar mit dem gleichen entschlossenen Blick, der dem Kriminalisten schon vorher an ihm aufgefallen war.
»He, Grünschnabel. Möchten Sie ihn haben?«
»Wen?«
»Den Fall Cassel.«
Der junge Beamte dachte nach. Aber dann schüttelte er den Kopf und lachte. »Nein, lieber nicht.« »Sie können das hinkriegen.«
»Ich weiß, dass ich das kann. Es ist nur. . Ich meine, wenn ich meinen ersten eigenen Fall leite, möchte ich sicher sein, dass ich es aus den richtigen Gründen tue.«
»Gut gesprochen, Grünschnabel«, murmelte Sel itto und prostete ihm mit der Kaffeetasse zu. »Vielleicht besteht doch noch Hoffnung für Sie. . Also gut. Wenn ich schon suspendiert bin, kann ich mich wenigstens um die Arbeiten am Haus kümmern, wegen denen Rachel mir ständig in den Ohren liegt.« Der massige Detective nahm sich einen altbackenen Keks und schlenderte zur Tür hinaus. »Gute Nacht allerseits.«
Szarnek sammelte seine Unterlagen und Datenträger zusammen und legte sie auf einen Tisch. Thom unterzeichnete als Rhymes bevollmächtigter Vertreter die erforderliche Registrierkarte für Beweismittel. Dann machte der Technikspezialist sich auf den Weg. »Und wenn Sie bereit sind, im einundzwanzigsten Jahrhundert anzukommen, Detective, geben Sie mir einfach Bescheid«, erinnerte er den Kriminalisten und deutete auf die Computer.
Das Telefon klingelte - es war ein Anruf für Sachs, deren zerlegtes Mobiltelefon bis auf Weiteres nicht einsatzbereit sein würde. Rhyme entnahm dem Gespräch, dass der Anrufer sich aus dem Polizeirevier in Brooklyn meldete und dass man Sachs' Camaro auf einem Stellplatz in der Nähe ausfindig gemacht hatte.
Sie verabredete mit Pam, am nächsten Tag in deren Honda gemeinsam dorthin zu fahren. Der Wagen des Mädchens war in einer Garage hinter Peter Gordons Haus gefunden worden. Dann ging Sachs nach oben unter die Dusche, und Cooper und Pulaski verabschiedeten sich.
Rhyme verfasste eine Nachricht an den stellvertretenden Bürgermeister Ron Scott, beschrieb die Tatmethode des Killers 522 und
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schlug vor, aktiv nach anderen Fällen Ausschau zu halten, in denen der Mann Verbrechen begangen und sie einem Unschuldigen angehängt hatte. Im Haus des Hamsterers würde es natürlich entsprechende Hinweise geben, aber Rhyme wagte sich nicht mal vorzustellen, mit wie viel Arbeit die Untersuchung dieses Tatorts verbunden sein würde.
Er beendete die E-Mail, schickte sie ab und fragte sich, wie Andrew Sterling wohl darauf reagieren würde, dass einer seiner Untergebenen nebenbei Daten verkauft hatte. Das Telefon klingelte. Die übermittelte Nummer des Anrufers sagte ihm nichts.
»Kommando, Telefon, Abheben.«
Klick.
»Hallo?«
»Lincoln. Hier ist Judy Rhyme.« »Tja, hallo, Judy.«
»Oh, ich weiß gar nicht, ob du es schon gehört hast. Die Anklage wurde fallen gelassen. Er ist draußen.«
»So schnell? Ich wusste, dass es in Arbeit war. Aber ich dachte, es würde noch etwas länger dauern.«
»Mir fehlen die Worte, Lincoln. Ich kann nur einfach sagen: danke.«
»Gern geschehen.«
»Einen Moment«, sagte sie.
Rhyme hörte eine gedämpfte Stimme. Judy hatte die Hand auf der Sprechmuschel, und er nahm an, dass sie mit einem der Kinder redete. Wie waren doch gleich ihre Namen?
Dann hörte er: »Lincoln?«
Wie seltsam, dass er die Stimme seines Cousins sofort erkannte, obwohl er sie schon seit Jahren nicht mehr gehört hatte. »Hallo, Art.«
»Ich bin in Downtown. Man hat mich gerade freigelassen. Alle Anklagepunkte wurden zurückgezogen.« »Gut.«
Wie peinlich ist das denn?
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Danke. Vielen, vielen Dank.« »Bitte.«
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»All die Jahre. . Ich hätte längst anrufen sollen. Es war nur.. «
»Schon okay.« Was, zum Teufel, will ich damit sagen?, fragte er sich. Arts Abwesenheit in
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