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Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Rhymes Leben war weder okay noch nicht okay. Dieses Gespräch war eine Farce. Er wollte auflegen.
    »Du musstest nicht tun, was du getan hast.«
    »Es gab ein paar Unregelmäßigkeiten. Das war eine merkwürdige Situation.«
    Auch das bedeutete rein gar nichts. Und Lincoln Rhyme fragte sich außerdem, wieso er diese Unterredung torpedierte. Es war wohl irgendein Verteidigungsmechanismus, nahm er an - und dieser Gedanke war genauso öde wie die anderen. Er wollte wirklich gern auflegen. »Bist du nach dem Vorfall in der Untersuchungshaft halbwegs wieder auf dem Damm?«
    »Mir ist nicht viel passiert. Es war ein schlimmes Erlebnis, aber dieser andere Häftling ist rechtzeitig gekommen und hat mir von der Wand geholfen.«
    »Gut.«
    Schweigen.
    »Nun ja, nochmals danke, Lincoln. Nicht viele Leute hätten so etwas für mich getan.«
    »Ich freue mich, dass es geklappt hat.«
    »Wir sollten uns mal treffen. Du und Judy und ich. Und deine Freundin. Wie heißt sie?« »Amelia.«
    »Wir sollten uns mal treffen.« Eine lange Stille. »Jetzt machen wir uns lieber auf den Weg. Wir müssen nach Hause zu den Kindern. Okay, pass auf dich auf.«
    »Du auch... Kommando, Telefon, Auflegen.«
    Rhymes Blick fiel auf das SSD-Dossier seines Cousins.
    Der andere Sohn. .

    Und er wusste, dass sie sich niemals »treffen« würden. So endet es also, dachte er. Im ersten Moment fragte er sich noch, ob mit diesem Telefonat etwas im Keim erstickt worden war, das hätte sein können. Doch Lincoln Rhyme gelangte zu dem Schluss, dass dies der einzig logische Ausgang der Ereignisse der letzten drei Tage war.
    Er dachte an das Firmenlogo von SSD. Ja, Arthurs und sein Le 334
    ben hatten sich nach vielen Jahren zufällig gekreuzt. Aber es war, als würden die beiden Cousins weiterhin durch ein geschlossenes Fenster getrennt. Sie hatten einander in Augenschein genommen und ein paar Worte gewechselt, doch damit hatte der Kontakt sich auch schon erledigt. Nun war es an der Zeit, dass jeder wieder in seine eigene Welt zurückkehrte.
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    . Einundfünfzig
    Es war elf Uhr vormittags. Amelia Sachs stand auf einem dreckigen Gelände in Brooklyn und musste mit den Tränen kämpfen, als sie die Überreste sah.
    Man hatte auf sie geschossen, sie hatte selbst schon in Ausübung des Dienstes getötet, und sie hatte bei Geiselnahmen mit dem vordersten Zugriffteam den Schauplatz gestürmt - doch nun war sie vor Schmerz wie gelähmt.
    Sie wiegte sich vor und zurück, ihr Zeigefinger grub sich in das Fleisch ihres Daumens, Nagel an Nagel, bis ein kleiner Blutfleck erschien. Amelia blickte auf ihre Finger, sah die Wunde und hörte trotzdem nicht auf. Sie konnte nicht.
    Ja, man hatte ihren innig geliebten 1969er Chevrolet Camaro SS gefunden.
    Doch der Polizei war anscheinend verborgen geblieben, dass man den Wagen nicht bloß wegen ausstehender Zahlungen gepfändet, sondern zur Entsorgung verkauft hatte. Sachs und Pam befanden sich auf einem Schrottplatz, der wie der Drehort eines Scorsese-Films oder einer Sopranos-Folge aussah. Es stank nach altem Öl und nach dem Qualm brennenden Abfalls. In der Nähe lauerten bösartig kreischende Möwen wie weiße Geier. Amelia wollte ihre Waffe ziehen und das ganze Magazin in die Luft ballern, um die Vögel in panischem Schrecken zu verscheuchen.
    Ein zermalmter Metallhaufen war alles, was von dem Wagen blieb, der seit ihrer Jugend zu ihr gehört hatte. Der Camaro war eines der drei wichtigsten Vermächtnisse ihres Vaters gewesen, neben dessen Charakterstärke und seiner Liebe zur Polizeiarbeit.
    »Hier sind die Papiere. Es hat alles, Sie wissen schon, seine Ordnung.« Der verunsicherte Leiter des Schrottplatzes wedelte mit den schlaffen Computerausdrucken, die Amelias Auto in einen nicht wiederzuerkennenden Stahlwürfel verwandelt hatten.
    »Vollverwertung« lautete der Ausdruck; er bedeutete, dass ein Fahrzeug um alle noch nutzbaren Teile erleichtert und dann in die
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    Schrottpresse geschoben wurde. Was natürlich idiotisch war; man konnte mit vierzig Jahre alten Autoteilen, die von irgendeinem dubiosen Hinterhofhändler in der South Bronx stammten, kein Geld mehr verdienen. Doch wie Sachs im Zuge dieser Ermittlungen nur allzu gut gelernt hatte, wurden die Anweisungen eines überge-ordneten Computers ohne zu zögern befolgt. »Es tut mir leid, Lady.«
    »Sie ist Polizeibeamtin«, wies Pam Willoughby ihn barsch zurecht. »Ein Detective.«
    »Oh«, sagte er, erwog die möglichen Konsequenzen der Situation und war nicht

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