Der Tag, an dem das Glück zurückkam (Bianca) (German Edition)
unwahrscheinlich, dass er ihr wehtat. Er hatte deutlich mehr Respekt vor Lilly, als sie vor ihm!
Außerdem strahlte er die richtigen Schwingungen aus.
War er traurig? Ja. Ein emotionales Wrack? Auch das. Aber gefährlich? Nein.
Und selbst, wenn sie seinen Charakter falsch einschätzte – William wäre das gewiss nicht passiert. Immerhin hatte er mit ihm zusammen gedient. Und wenn er ihm so sehr vertraute, dass er ihn zu ihr schickte – wohl wissend, dass sie ganz alleine war – dann reichte ihr das.
Sie hörte Lilly lachen. Wenn sie alleine gewesen wäre, hätte sie angehalten und ein wenig gelauscht. Liebend gerne hätte sie gewusst, was Alex gesagt oder getan hatte, das Lilly so komisch fand.
„Lilly! Boston!“, rief sie, um sich anzukündigen. Schließlich wollte sie nicht den Eindruck erwecken, dass sie den beiden nachspionierte. „Hat einer von euch Hunger?“
Boston erschien als Erster. Er sprang zwischen den Bäumen hervor und rannte auf den Pfad, der vor ihnen lag. Dabei stellte er das übliche breite Lächeln zur Schau und wedelte wie wild mit dem Schwanz.
„Hey, Boston.“
Boston war ganz nass und seine großen Pfoten voll Schlamm.
Ein Schatten legte sich über sie, und Lisa spürte, wie Anna erstarrte. Sie richtete sich auf und sah direkt in Alex’ Gesicht.
„Hey, Alex.“
Sein Lächeln war nicht mehr ganz so reserviert wie am Tag seiner Ankunft, doch immer noch vorsichtig.
„Ich wollte Sie zwei meiner Familienmitglieder vorstellen“, erklärte sie.
Er wirkte unsicher, und dafür hatte sie vollstes Verständnis. Sie konnte den Blick ihrer Schwester zwar nicht sehen, aber ihn sich lebhaft vorstellen. Bestimmt sah sie ihn nicht freundlich an, sondern misstrauisch oder sogar feindlich. Wie jemanden, der für Williams Tod verantwortlich war.
Plötzlich stürmte Lilly zwischen den Bäumen hervor.
„Bost …“ Als sie die anderen sah, verstummte sie augenblicklich.
Lisa lächelte sie freundlich an, stellte das Tablett auf den Boden und hielt ihre Arme auf. Ohne zu zögern rannte Lilly auf sie zu.
„Begrüß deine Großmutter und deine Tante Anna.“
Lilly winkte den beiden zu, dann grinste sie breit und richtete ihren Blick wieder auf Alex. Wäre sie älter gewesen, Lisa hätte vermuten müssen, dass sie für ihn schwärmte.
„Alex, das sind meine Mutter Marj und meine Schwester Anna.“
„Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Alex.“ Ihre Mutter trat vor und reichte Alex die Hand.
Alex bewegte sich ganz langsam. Lisa ertappte sich dabei, wie sie den Atem anhielt.
„Marj“, wiederholte er, als würde er die Aussprache üben. „Ich habe viel über sie gehört.“
Lisa hörte beinahe die unausgesprochenen Worte ihrer Schwester, die in der Luft lagen. Ich wünschte, wir könnten dasselbe von Ihnen behaupten.
„Und, Anna“, kam er ihr zuvor. „Freut mich auch, Sie kennenzulernen.“ Er hielt ihr die Hand entgegen.
Anna ergriff sie, doch Lisa entging nicht, wie angespannt das Lächeln ihrer Schwester war.
„Was führt Sie nach Brownswood?“, fragte Anna.
Alex war sichtlich unwohl zumute. Lisa würde nicht zulassen, dass er ein schlechtes Gewissen bekam, nur weil er vorübergehend bei ihr wohnte. „Alex war so freundlich, mir ein paar von Williams Sachen vorbeizubringen. Er war an Williams Seite, als er … verstarb.“
Jetzt wandte sie sich ihrer Schwester zu, doch Annas Blick nach zu urteilen, schien diese Nachricht nichts zu bewirken. Anders als bei ihrer Mutter, deren Blick weicher wurde.
„Das war sehr nett von Ihnen, Alex“, sagte Marj.
Er zuckte die Achseln. Lilly zappelte in Lisas Armen, um hinuntergelassen zu werden. Lisa gab sie frei.
Fast stieß sie ein Ächzen aus, als sie sah, wie Lilly Alex berührte. Nur ganz kurz im Vorbeigehen. Eine knappe Berührung. Aber nichtsdestotrotz eine Berührung.
Alex zeigte kaum eine Reaktion, aber Lisa entging nicht, wie er die Finger leicht nach oben krümmte. Er erwiderte die Berührung. Und Lisa nahm an, dass auch ihrer Schwester die Nähe zwischen diesem Mann und dem Kind nicht entging.
„Alex, könnten Sie mir bitte das Tablett abnehmen?“, fragte Lisa.
Als er sich umdrehte, sah er verlegen aus. „Tut mir leid, ich …“
„Das muss Ihnen nicht leidtun. Ich dachte nur, dass Sie es vielleicht schon mal zum See tragen können, während ich mich von den Mädels verabschiede.“
Er nickte.
„Kommt, Ladys!“
Ihre Mutter folgte ohne zu zögern. Nur Anna sah sie ein weiteres Mal scharf an, bevor sie
Weitere Kostenlose Bücher