Der Tag, an dem das Glück zurückkam (Bianca) (German Edition)
er sprach. Vor Jahren war er selbst in Lillys Situation gewesen. Und nach all den Dingen, die er verloren, nach allem, was er gesehen hatte, war er tief in seinem Innern noch immer dieses nachdenkliche Kind.
Lisa nahm seine Hand und spendete ihm den Trost, den sie eigentlich selbst benötigte. Fast wäre er zurückgewichen, doch das angenehme Gefühl ihrer Haut hielt ihn davon ab.
„Genau deshalb mag sie Sie so. Weil Sie sich gegenseitig verstehen. Irgendeine Verbindung ist da …“
Alex blickte wieder aufs Wasser. Wahrscheinlich hatte sie recht. Er verstand tatsächlich, was Lilly durchmachte. Und vielleicht spürte sie das.
„Gehen Sie trotzdem noch zum Therapeuten mit ihr?“, fragte er.
„Nächste Woche wieder.“ Lisa versuchte, aufzustehen. Dabei kam sie ihm näher, und er spürte es. Spürte die Wärme ihres Körpers, roch den leichten Duft, der sich beim Backen in ihrer Kleidung festgesetzt hatte.
Rasch wandte er sich ab.
„Wir sehen uns später“, sagte sie.
Alex lächelte sie an, rührte sich jedoch nicht.
„Komm, Lilly!“, rief sie. „Zeit, ins Haus zurückzugehen.“
Sogar als sie rief und sich dabei von ihm entfernte, sah er ihren Gesichtsausdruck. Ihre Augen flackerten leicht, wenn sie ihn ansah. Irgendetwas tat sich zwischen ihnen. Etwas, das er am liebsten ignoriert hätte.
Er zwang sich, den Blick abzuwenden. Dies war höchst gefährliches Territorium, und das wusste er auch.
Sie war verwitwet. Verwirrt. Und ihr Herz gehörte noch immer ihrem Mann. Damit war sie genau die Art Frau, von der er sich besser fernhalten sollte.
Er durfte nicht vergessen, das Tor zu seinem Herzen verschlossen zu halten.
Niemals wieder wollte er sich verlieben oder einen geliebten Menschen verlieren.
5. KAPITEL
Lilly saß im Boot, während Alex es zum Wasser schob, und wirkte dabei, wie eine Königin auf ihrem Thron.
Er warf ihr seinen finstersten Blick zu, doch sie lachte nur. Jetzt musste auch er aus vollem Hals lachen. So lange, bis er das Gleichgewicht verlor, als Boston neben Lilly ins Boot sprang.
Lillys schallendes Gelächter ließ ihn jedoch gleich wieder in die Höhe schnellen.
„Diesem Hund müssen dringend Manieren beigebracht werden“, grummelte Alex. Er warf einen schnellen Blick über seine Schulter, doch zu seiner Erleichterung war Lisa nirgends zu sehen.
„Kann Boston auch zum Angeln mitkommen?“, bettelte Lilly.
Alex wollte ihr einen ablehnenden Blick zuwerfen, doch er wusste, dass es nichts helfen würde. Das kleine Mädchen, das ihn mit ihren großen Augen anfangs misstrauisch beäugt hatte, war inzwischen völlig immun gegen seine Drohgebärden.
„Muss das sein?“, grummelte Alex.
Lilly legte einen Arm um Boston und drückte ihn fest an sich. Der Hund sah dabei aus, als würde er lachen.
Alex entging nicht eine gewisse Ironie bei dieser Sache. Er war ein harter Soldat. Ein Mann, der jahrelang in fremden Ländern gekämpft hatte. Doch hier in Alaska war der Hund der Anführer des Rudels.
„Na gut“, gab er sich schließlich geschlagen.
Lilly nahm wieder ihre königliche Haltung ein, mit Boston als König an ihrer Seite. Das machte Alex dann wohl zum Leibeigenen.
Alex beäugte Boston, als er sich mit heraushängender Zunge hinsetzte, den Blick aufs Wasser gerichtet. Er vertraute keine Sekunde darauf, dass der Hund nicht plötzlich ins Wasser springen und das Boot damit zum Kentern bringen würde, wenn er irgendetwas Interessantes entdeckte.
„Pass mit der Schnur auf.“ Er legte seine Hand auf Lillys Angelrute. „Halt sie genauso, wie ich es dir gezeigt habe. Und dann wirf die Schnur vorsichtig aus.“
„So?“
Alex verspürte einen gewissen Stolz in der Brust. Endlich fing sie an, ihm zuzuhören. „Genau. Braves Mädchen.“
Ihr Lächeln breitete sich über das ganze Gesicht aus.
Alex grinste zurück.
Dafür, dass er bisher wirklich nicht viel Zeit mit Kindern verbracht hatte, lief es richtig gut. Lilly war etwas ganz Besonderes. Ihr etwas beizubringen, mit ihr zu reden und die Tatsache, dass sie seinen Anweisungen folgte, hatte etwas zutiefst Erfüllendes.
„Jetzt machen wir es uns bequem und warten.“
Sie begann etwas zu zappeln. Warten war wahrscheinlich nicht ihre Lieblingsbeschäftigung.
Für Alex war es sein Lebensinhalt. Sich zurückzulehnen, das Wetter zu genießen, jegliches Zeitgefühl zu verlieren … All das war für ihn der Himmel auf Erden.
Für gewisse ungeduldige Kinder hingegen war es wahrscheinlich die Hölle …
Das Wasser
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