Der Tag, an dem das Glück zurückkam (Bianca) (German Edition)
ganz schnell, einfach nur weg.
Andererseits – doch das konnte er sich kaum eingestehen – wollte er bleiben und für wenige Stunden Teil dieser kleinen Familie sein. Er wollte verstehen, was William geopfert hatte, um sein Leben zu retten.
„Komm schon, Lil, lass uns wieder ins Haus gehen.“
Lilly folgte dem Ruf ihrer Mutter und rannte herbei, doch Alex spürte, dass ihr Schweigen nicht normal war. Er hatte nicht viel Erfahrung mit Kindern, doch er wusste, dass sie eigentlich kreischen müsste, wenn der Hund sie mit Wasser vollspritzte. Oder ihrer Mutter antworten, wenn diese nach ihr rief.
Stattdessen lächelte sie nur stumm. Nicht wirklich betrübt oder trauernd. Aber wahrscheinlich war das ihre ganz eigene Art zu trauern.
Alex wusste leider zu gut, was sie durchmachte.
Die Army war seit Jahren seine einzige Familie gewesen. Die Quelle all seiner Freundschaften. Der Ort, der sein Zuhause war und an dem er Trost finden konnte.
Somit wusste er ganz genau, wie einsam sich ein Mensch fühlen konnte.
Lisa durchstöberte den Kühlschrank auf der Suche nach den richtigen Zutaten. Heute würden sie früh zu Abend essen. Die einzige Möglichkeit, Alex von seiner Rolle als Lillys Spielgefährte zu erlösen, hatte darin bestanden, beide zum Abendessen ins Haus zu rufen. Jetzt musste sie nur schnell etwas auftreiben.
Wenn William aus dem Einsatz zurückgekehrt war, hatte er immer einen regelrechten Heißhunger auf ihre Hausmannskost mitgebracht. Worum es sich dabei genau gehandelt hatte, war ihm dabei oft sogar egal gewesen, solange es nur selbst gekocht war. Eben genau das, worauf er in der Wüste verzichten musste.
„Wie lange waren Sie dieses Mal unterwegs, Alex?“, fragte sie ihn.
Er saß jetzt wieder auf dem Barhocker und blätterte beiläufig in einem ihrer älteren Kochbücher. Jetzt blickte er auf und sie entdeckte ein hartes Blitzen in seinen Augen. Und einen Blick, der sagte: Lass uns bitte nicht über den Krieg reden.
„Monate. Irgendwann habe ich nicht mehr mitgezählt“, meinte er schließlich.
Das nahm sie ihm keine Sekunde lang ab. Ihr Ehemann hatte stets ganz genau gewusst, wie viele Tage er weg gewesen war. Wahrscheinlich hätte er sogar die genaue Anzahl der Stunden zusammenbekommen, wenn er den Kopf dafür freigehabt hätte.
„Sind Sie schon länger zurück oder gerade erst aus dem Flugzeug gestiegen?“
Da war schon wieder dieser Blick. „Etwa vor einer Woche.“
Es war, als hätte sich ein Vorhang vor seinen Augen und seinem Gesicht zugezogen, kaum hatte sie angefangen, über die Army zu sprechen.
„Nun, dann steht Ihnen bestimmt der Sinn nach leckerer Hausmannskost.“
Er nickte höflich.
Lisa wollte mehr wissen. Zum Beispiel, warum er nicht mit seiner eigenen Familie zu Hause beim Essen saß. Warum war er so kurz nach seiner Rückkehr zu ihr gefahren?
Außerdem fragte sie sich, wie er und William miteinander klargekommen waren. Sie waren so verschieden. Alex war ruhig und beherrscht – aber vielleicht war das auch nur das Resultat ihrer Fragerei. Ihr Mann war jedenfalls immer sehr offen und gesprächig gewesen. Geradeheraus.
Von all den Geschichten, die er ihr erzählt hatte, wusste sie jedoch, dass im Krieg alles anders war. Dass Männer, die sich normalerweise nie angefreundet hätten, einander so vertraut wurden wie Brüder. Lisa hoffte, dass es bei Alex und ihm genauso gewesen war.
Sie begann zu schälen. Zuerst die Kartoffeln, danach die Karotten.
„Ich denke, ein Hühnchenauflauf würde Ihnen guttun.“
Er lächelte. Halbherzig nur, aber offener als zuvor.
„Möchten Sie mir helfen?“
Er nickte. „Klar.“
„Sie könnten die Kartoffeln in Streifen schneiden. Messer sind da in der Schublade. Und dann werfen Sie sie zum Kochen in den Topf.“
Alex stand auf und ging zu ihr.
Sie hätte das schon früher vorschlagen sollen. Es war das Beste, ihn zu beschäftigen, ohne ihn dabei einem Verhör zu unterziehen. Vielleicht würde ihm das helfen, sich zu entspannen. Und vielleicht würde er irgendwann von sich aus von William erzählen.
Lisa servierte den Auflauf. Die Kartoffelkruste war leicht gebräunt, und als sie das Essen gekonnt auf drei Teller verteilte, tropfte die Soße bereits über den Rand des Löffels.
„Lilly, iss doch am besten im Fernsehzimmer. Du kannst dir dabei eine DVD ansehen.“
Ihre Tochter nickte eifrig. Lisa erlaubte ihr fast nie, beim Essen vom Tisch aufzustehen. Heute war ihr jedoch sehr daran gelegen, mit ihrem Gast ganz offen
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