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Der Tag, an dem du stirbst

Der Tag, an dem du stirbst

Titel: Der Tag, an dem du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Blick stand. Sie wirkte unsicher, schien sich aber allmählich zu beruhigen. «Ich beobachte Sie.»
    «Wie bitte?»
    «Ich rechne damit, in vier Tagen ermordet zu werden. Es heißt, Sie seien die beste Ermittlerin der Stadt, also möchte ich, dass Sie sich um meinen Fall kümmern. Sie sind wohl meine einzige Hoffnung auf Gerechtigkeit.»

    D.D. beschloss, Charlie in die Polizeizentrale zu bringen, denn zum einen fand sie deren Geschichte – eine verrücktere war ihr noch nie zu Ohren gekommen – äußerst verdächtig, zum anderen entsprach Charlie der vagen Beschreibung des Tatverdächtigen im ersten Mordfall. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie davongelaufen war, als D.D. den seltsamen Zettel unter dem Scheibenwischer ihres Wagens entdeckt hatte. Und schließlich war sie, die Frau in der unförmigen schwarzen Winterjacke, die einzige Spur, der sie folgen konnte.
    D.D. filzte die junge Frau, forderte sie auf, ihre Mütze abzunehmen, und ließ sie auf der Rückbank ihres Crown Vic Platz nehmen. Polizeihandbuch, erstes Kapitel: Blickkontakt halten, Gesichtsausdruck registrieren. D.D. duldete nicht, dass sich eine verdächtige Person oder ein Zeuge mit Kopfbedeckungen oder Schals vermummte.
    Sie steckte den Zettel mit der Botschaft in eine Tüte, legte sie neben sich auf den Beifahrersitz, fuhr los und nahm mit der Zentrale Funkkontakt auf. Schon nach wenigen Minuten hatte sie in Erfahrung gebracht, dass Charlene Rosalind Carter Grant als Telefonistin für die Polizeidienststelle in Grovesnor arbeitete und dass gegen sie nichts vorlag. Beides sprach wohl eher für die junge Frau.
    Als Nächstes hörte sie auf ihrem Handy die eingegangenen Mailboxnachrichten ab. Eine war von Alex, der ihr nur einen guten Tag wünschte. Die zweite – von ihrer Mutter – schlug ihr auf den Magen. Die Eltern hatten ihren Besuch für Donnerstagabend, also in zwei Tagen, angekündigt. Ihre Mutter wollte wissen, ob D.D. sie vom Flughafen abholte oder ob sie den Weg zu Alex’ Haus allein würden finden müssen. Die Stimme machte deutlich, was sie von letzterer Option hielt. Auch die Formulierung «Alex’ Haus» sprach Bände.
    D.D. löschte die Nachrichten und verzichtete auf einen sofortigen Rückruf.
    Für Panik blieb immer noch Zeit. Vielleicht sollten sie, Alex und Baby Jack, einfach abhauen und sich einem Wanderzirkus anschließen. Alex würde sich bestimmt gut in Clownsstreifen machen, Jack wäre allerliebst im gepunkteten Strampler. Und sie selbst, vor die Wahl gestellt, einer Großmutter zu begegnen, die am unehelichen Status ihres Enkels Anstoß nehmen würde, oder für den Rest ihres Lebens eine rote Nase aufzusetzen … nun, die Wahl würde ihr nicht allzu schwerfallen.
    D.D. seufzte. Für ihre Eltern war es eine Überwindung, in den Norden zu reisen. Sie hatten mit Sicherheit erwartet, dass ihre einzige Tochter mit dem Enkel nach Florida kommen würde. Aber Jack war vier Wochen zu früh zur Welt gekommen, Mitte November statt Mitte Dezember. Die erste Woche seines Lebens hatte er in einem Brutkasten zugebracht – zum Garen, wie die Geburtshelferin gemeint hatte. D.D. war zu dieser Zeit gar nicht in der Lage gewesen, sich mit ihren Eltern zu beschäftigen. Sie hatte sie erst zehn Tage nach der Geburt ihres Sohnes telefonisch informiert. Eine unverzeihliche Sünde, wie ihr später vorgehalten worden war. Aber während der ersten Tage …
    Gemeldet hatte sie sich bei ihrer Mutter erst nach den Tagen der ersten Aufregung zu Thanksgiving. Eine Reise wäre jetzt zu anstrengend, hatte ihre Mutter gemeint und unverhohlen Missmut anklingen lassen. D.D.s Eigensinn habe sie bereits zwei Wochen der Anteilnahme am Leben ihres Enkels gekostet, und nun seien sie gezwungen, eine erste Begegnung noch länger aufzuschieben …
    Weitere Telefonate, weiteres Gezerre um Termine, noch mehr Schuldgefühle. Und jetzt stand der Besuch ihrer Eltern unmittelbar bevor; sie würden am 19. Januar in Boston landen.
    Dann würden sie alle in einem Raum beieinandersitzen – ihre Eltern, die nie geplant hatten, Kinder zu bekommen, aber dann, spät in ihrem Leben, von ihr überrascht worden waren, und sie selbst, die ebenfalls nie eine Familie geplant hatte und jetzt, spät in ihrem Leben, Jack bekommen hatte.
    Wenn Alex noch bei Verstand war, würde er jetzt schleunigst das Weite suchen.
    D.D. näherte sich der Zentrale und hielt nach einem Parkplatz Ausschau. Die Zentrale des BPD lag mitten in Roxbury, wo Parkplätze ebenso schwer zu finden

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