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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steen
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seinen Peitschen, Iltisfellen und Klimperglöckchen.“
    Claudia sah ihn nur an.
    „Um es kurz zu machen: Ich hab in der Vergangenheit etliche Tausender für diese Lebenshilfegurus ausgegeben“, fuhr er fort. „Und das Schlimmste war, dass du dich dafür krumm machen musstest, ohne etwas davon zu ahnen. Ich hab einfach nicht den Mut aufgebracht, dir die Wahrheit zu sagen, weil … weil ich mich so geschämt hab. Das ist, als wenn man auf einer Kaffeefahrt abgezockt wird. Ich hasse mich!“ Kaum war es heraus, ließ er auch schon den Kamm und die Schere fallen, schlug sich die Hände vors Gesicht und fing bitterlich an zu weinen.
    Claudia ging vor ihm auf die Knie, umfasste seine Oberarme und drückte sie so heftig, dass er die Hände wieder sinken ließ und sie ansah.
    „Weißt du was?“, sagte sie eindringlich. „Das ist mir scheißegal . Ich möchte nur, dass du irgendwann wieder lachen kannst, und dazu ist mir jedes Mittel recht. Ich möchte, dass du wieder hoffst und lebst und auf dumme Gedanken kommst und in irgendeinen Schlamassel gerätst, so wie früher.“
    „Es gibt da aber noch einen Zopf, den ich abschneiden muss“, sagte er unter Tränen. „Zuerst wollte ich in der Angelegenheit eine Münze werfen, aber dann hab ich mir gesagt: Leg das blöde Ding weg, René Sommerfeldt! Bei so etwas kann man nicht das Schicksal entscheiden lassen. Das muss man schon selbst tun.“
    „Dann schneid den Zopf ab, hier und jetzt“, sagte Claudia und spürte, wie ein wahrer Gefühlssturm in ihr lostobte. Sie wusste, worauf er hinauswollte.
    René riss ein Blatt Toilettenpapier ab und schnäuzte sich die Nase aus. Dann sah er sie kläglich an und sagte: „Es ist doch so: Der Zweck heiligt nicht jedes Mittel. Aber wenn es ohne Mittel keinen Zweck gibt, beißt die Katze sich in den eigenen Schwanz. Ist doch so, oder?“
    „Ja“, sagte Claudia nur. Auf diesem Moment hatte sie lange, sehr lange gewartet, und dass er endlich da war, raubte ihr die Fassung. Gleichzeitig fühlte sie sich auf wundersame Weise getröstet, und ein tiefer Frieden breitete sich in ihr aus.
    „Und nun, nach all der Zeit, möchte ich dich etwas fragen“, fuhr René fort. „Etwas, dass ich dich schon längst hätte fragen sollen, aber nicht konnte, weil es gegen meine Natur ist. Eigentlich logisch. Warum soll ich es mir leicht machen, wenn es auch kompliziert geht? Also, ich steh jetzt an einer Kreuzung und muss mich entscheiden, welchen Weg ich weiter gehe. Deshalb wollte dich fragen, dich bitten , ob du …“
    „Die Antwort lautet ja, René“, fiel sie ihm mit vor Aufregung heiserer Stimme ins Wort. „Lass es uns machen! Lass uns nach den Sternen greifen, und selbst wenn wir sie nicht erwischen … Dann haben wir es wenigstens versucht, und das ist dann fast so gut, als wenn wir sie tatsächlich zu fassen bekommen hätten.“
    „Aber wir haben ein Kind“, sagte er, um sich gleich darauf wieder gegen sein Schicksal aufzubäumen: „Hätte die Krankheit mich nicht zehn oder fünfzehn Jahre später erwischen können? Das wäre zwar immer noch blöd gewesen, aber dann wäre …“ Er stockte und sah auf den Spickzettel, den er auf seinen Handrücken geschrieben hatte. Mit Namen und Orten hatte er immer noch seine Schwierigkeiten. Dann beendete er den Satz:„… Mia schon aus dem Gröbsten heraus gewesen.“
    „Krankheiten kommen immer zur Unzeit, René, da kann man nichts machen. Aber ihre Auswirkungen, an denen kann man schon was drehen. Außerdem hat das Kind Leo“, fügte sie hinzu sie und merkte selbst, wie herzlos das klang. Also fiel sie ihm rasch um den Hals und sagte: „Natürlich nur vorübergehend.“
    Danach war es eine Weile still im Badezimmer. Sie hielten sich im Arm, wiegten sich hin und her und schwiegen.
    „Du hast recht“, sagte René schließlich. „Ich mag es kaum zugeben, aber ich bin …“, wieder ein Blick auf den Spickzettel, „… Leo sehr dankbar. Trotzdem frag ich mich, ob wir das Richtige tun.“
    „Zergrübel dir darüber nicht mehr den Kopf. Es ist, wie es ist, und fertig.“
    „Aber Mias Geburt ist erst ein Jahr her. Wer weiß, ob dein Körper dieser Strapaze gewachsen ist.“
    „Mir geht’s gut, sehr gut sogar, und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass du mein Geschenk endlich annimmst. Mach es, René, bitte! Gib dein Okay.“
    „Das ist aber ein ziemlich abgefahrenes Geschenk“, sagte er, immer noch mit Tränen in den Augen, aber bereits mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen.

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