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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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nur an mich! Und Ihr, mein Pierre? Wie schrecklich, wenn Euer Seelenheil in Gefahr wäre! Habt Ihr einen guten Beichtvater?«
    »Gut? Ich weiß nicht. Er ist sehr unbeugsam.«
    »Gebenedeite Jungfrau!« sagte die kleine Herzogin, »dann müßt Ihr ihn gleich morgen wechseln!«
    »I bewahre, mein Engel«, sagte ich lächelnd.
    »Warum nicht?«
    »Weil ich nicht glaube, daß mein Seelenheil in der Hand eines Beichtvaters liegt, ob unbeugsam oder nicht, sondern in Gottes Hand.«
    »Ach, alter Hugenott!« sagte sie wie entrüstet. »Wie wenig Achtung er hat vor der Mittlerrolle unserer Heiligen Kirche! Pater Guignard hat schon recht, wenn er sagt: Kratzt an einem Konvertiten, und zum Vorschein kommt der Ketzer. Das Heringsfaß stinkt immer wieder nach Hering …«
    »Madame«, sagte ich mit gespieltem Ernst, »sollte ich stinken, wie Ihr sagt, mache ich mich augenblicks aus dem Staub.«
    »Ha, Schelm!« sagte sie und schmiegte sich in meine Arme. »Weiß er nicht, daß ich verrückt nach ihm bin?«
     
    Schöne Leserin, es legt mir jemand die Hand auf die Schulter und tadelt mich, daß ich in dieser Chronik viel zuviel Schwäche für Sie zeige. Doch wer sagt das? Herren natürlich! Damen niemals! Würde eine einzige Leserin mir schreiben und sagen, sie fühle sich durch ein Übermaß meiner Zuvorkommenheiten belästigt, müßte ich diese sofort einstellen, sehr betrübt natürlich,daß ich wegen der Empfindlichkeit einer einzelnen aufhören müßte, ihnen allen die Dankbarkeit auszudrücken, die mich bei dem Gedanken erfüllt, daß es sie gibt, die unserem grauen Alltag Wärme, Farbe und Lebensfreude schenken.
    So erlauben Sie denn, schöne Leserin, bevor ich einen solchen Brief erhalte – den ich niemals zu erhalten hoffe –, mit diesen kleinen Zwiesprachen fortzufahren, die eine meiner Freuden beim Schreiben sind. Und wenn sie auch Ihnen nicht mißfallen – wer sollte uns dann wohl hindern, unseren unschuldigen Umgang fortzusetzen?
    Ob mein Umgang mit der Herzogin von Guise unschuldig war oder nicht, das wollen wir, Sie und ich, dem alleinigen Befinden des ehrwürdigen Paters Guignard anheimstellen, welches sich auf die
wahr scheinende
Meinung eines einzigen guten und gelehrten Doktors seiner illustren Gesellschaft gründet, unabhängig davon, ob er selbst diese Meinung teilt. Überlassen wir jenen das Urteil, die sich unsere Richter dünken! Mögen sie uns vergeben oder verdammen! Ich aber meine, daß ihre Entscheidungen sehr wenig ändern, in diesem Leben wie im anderen. Für mich, wie ich es der Herzogin ja auch sagte, gibt es nur einen Richter, und leider ist noch nie jemand, der vor ihm erscheinen mußte, hernach zurückgekehrt auf die Erde, uns zu unterrichten, ob sein Urteil gütig oder erbarmungslos ist. Darum erlaube ich mir zu denken, daß er als vollkommenes Wesen vollkommen auch in seiner Gnade ist, welche sogar die Vorstellung unserer duldsamsten Zensoren noch übersteigt. Zorn, Neid, Haß, Rache, all das sind menschliche Leidenschaften. Welch ein Jammer, fände man sie droben wieder!
    Dennoch, Leserin, ehe wir unsere sterbliche Hülle abwerfen, sind wir lebendig, Sie und ich. Ich, um diese Zeilen zu schreiben, und Sie, damit Ihre schönen Augen sie lesen. Wenn ich darum versuche, die Summe meiner bisherigen Lieben zu ziehen, würde ich sagen, so zahlreich die Damen auch waren, die ich geliebt habe, so selten und flüchtig waren doch die Augenblicke des Glücks. Daher bin ich wenig geneigt, mich ihrer zu erinnern, weil meine Erinnerungen zugleich soviel Trauriges, ja Schmerzliches bergen: die kleine Hélix in der Jugendblüte gestorben, meine Fontanette aufgehängt, meine treue Freundin Alizon, damit es einmal gesagt sei, nach der Pariser Belagerung von der Fieberseuche dahingerafft. Soweit meine armenToten. Doch mit den Lebenden steht es nicht viel besser: Madame de Joyeuse auf ihre alten Tage in Frömmelei versunken, die Thomassine von Schmerzen gelähmt, meine schöne Kaufmannswitwe zu Châteaudun neuvermählt und verprügelt, Mylady Markby von Königin Elisabeth eingekerkert.
    Was meine Angelina angeht, käme es einer Entweihung gleich, von ihr im selben Atemzug zu sprechen wie von den einstigen Geliebten. Ich liebe sie immer noch. Und ich denke, wohl oder übel werde ich sie immer lieben. Aber welche Hiebe hat sie mir beigebracht! Und wie weit, wie weit sind wir jetzt einer vom anderen entfernt!
    »Und Louison?«
    Ha, schöne Leserin, müssen Sie mir hier mit Louison kommen, der ich gewiß einigen

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