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Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Titel: Der Tag der Messer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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lassen, wer die Herrschaft in der Stadt innehat. Wer auch nur den leisesten Zweifel an seiner Treue aufkommen lässt, muss unbarmherzig verfolgt werden. Denn besser ist es, den Schurken zu vernichten, bevor er ein Verbrechen begehen kann.
    Wir werden diese Geschwüre in unserer Mitte ausbrennen, und wir werden siegen. Die Zeit der ›Prognome‹ ist vorbei. Die Zeit für eine Säuberung ist gekommen. Denn es geht nicht mehr darum, zu welchem Volk wir gehören. Es geht darum, wer für uns ist und wer gegen uns.
    D ARNAMUR , DER G NOM , VOR DEM H OHEN R AT
    Als Darnamurs Zorn sich gelegt hatte, saß er brütend an seinem Schreibtisch und starrte auf den leeren Stuhl, wo Dranjar zuletzt gesessen hatte. Jetzt war er allein. Und der Kampf war noch lange nicht vorbei.
    Fahrig ging Darnamur seine Papiere durch. Es würde schwer werden. Er wusste nicht mehr, wem er vertrauen konnte … Ach was. Er hatte noch nie jemandem vertrauen können außer sich selbst. Irgendwann zeigten alle Schwäche und zerbrachen. Es war nur ärgerlich, wenn es bei Verbündeten der Fall war.
    Einen Vorteil hatte es immerhin: Wenn bekannt wurde, dass Dranjar im Zuge von Ganochs Verhaftung gestorben war, würde jeder glauben, dass Ganoch sich widersetzt hatte. So wirkte alles ganz natürlich und glaubwürdig.
    Darnamur prüfte seine Möglichkeiten. Ganoch hatte Berichte mitgebracht, und die waren beunruhigend. Die Bitaner, so hieß es, hatten einen König ausgerufen. Alle Späher meldeten, dass die Menschen zum Marsch auf Daugazburg rüsteten und nur das Widerstreben ihrer Verbündeten sie noch aufhielt.
    Und was sollte er mit den Gnomen machen, die Ganoch angeführt hatte? Darnamur hatte keinen General mehr, den er schicken konnte. Am liebsten wäre er selbst gegangen, aber wem sollte er die Stadt anvertrauen? Jemand musste den Rat im Auge behalten.
    Darnamur schrieb Befehle und verteilte das Kommando in den Bergen an mehrere Hauptleute. Er versäumte die morgendliche Ratssitzung und plante den ganzen Tag hindurch weiter, erwog Strategien und gab genaue Anweisungen für die hinhaltenden Taktiken, die seine Truppen anwenden sollten. Er berief Gesandte, die Ganochs Bemühungen um die Völker an der Grenze weiterführen sollten. Die Verbindung zu den Goblins und den Trollen durfte nicht abreißen.
    Am Nachmittag war Darnamur zutiefst erschöpft. Aber er konnte nicht schlafen. Es war niemand mehr da, der ihm die Arbeit abnahm. Darnamur empfing die Hauptleute und gab Befehle aus.
    Vor der Ratssitzung nahm er die Meldungen der Spitzel entgegen, um die sich bisher Dranjar gekümmert hatte. Auch das war eine Sache, die seiner Aufmerksamkeit bedurfte. Gerade jetzt, da Ganochs Leiche nicht gefunden war und er möglicherweise noch lebte, durften die geheimen Kundschafter und Informanten nicht vernachlässigt werden. Sie brauchten eine straffe Führung.
    Endlich schlurfte Darnamur müde zum Spiegelsaal. Er sah Dranjars leere Augen vor sich, und er verfluchte ihn.
    Dann dachte er an Frafa. Die Albe war schwach und leicht zu lenken. Sie war so vertrauenswürdig, wie man es nur erwarten konnte. Er hatte einen ganz besonderen Auftrag für sie.
    Darnamur seufzte. Ihm war zumute, als müsste er ein einstürzendes Gebäude stützen und bräuchte mehr Hände dafür, als ihm zu Gebote standen. Und jetzt beschwor er zusätzlich Sturm und Hagelschlag herauf in der Hoffnung, dass ihm das Unwetter ein paar geeignete Stützbalken aus dem Wald schlagen und heranwehen würde.
    Der Träumer in der steinernen Kammer stand auf. Im ersten Augenblick wollte Magati erschrocken zurückfahren, doch sie waren ohnehin entdeckt. Gebannt verfolgte sie, wie die Kreatur sich erhob.
    Das Geschöpf bewegte sich geschmeidig. Als es stand, war es so groß wie die Säule mit dem strahlenden Juwel, größer als zwei Goblins. Der Träumer war dünn, aber auf eine anmutige Weise. Die langen Finger liefen in Klauen aus, doch die Bewegungen wirkten majestätisch, nicht bedrohlich.
    Magati ließ ihren Blick hinauf zum Gesicht des Wesens wandern. Die großen Augen unter den hängenden Lidern glommen wie zwei Halbmonde, die Lippen waren schmal, aber so vollkommen geschwungen, als hätte ein Kalligraph sie in das Gesicht gezeichnet. Die breite Nase hob sich kaum aus dem Gesicht.
    »Der Scharfrichter!«, flüsterte Wito neben ihr. Magati zuckte zusammen.
    Sie schaute genauer hin. Unvorstellbar! Es grenzte an Blasphemie, diese anmutige Kreatur mit dem Scharfrichter von Daugazburg in Verbindung zu bringen.

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