Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
erklärte ihr Führer. »’s ist der einzige Weg zur Fei. Wenn ihr dem Gang folgt, gelangt ihr in die Flure des Turms. Dann müsst ihr nur noch den Weg ins Schlafgemach finden. Und den albischen Famuli aus dem Weg gehen. Neugierige junge Gnome nutzen diesen Weg schon seit Generationen.«
»Und manche kommen nicht zurück«, behauptete Magati.
Der Dienstgnom zuckte die Achseln und widersprach ihr nicht. »Ich kehr jetzt um«, sagte er. »Ich hab nur zugesichert, dass ich den Weg zeige. Mit dem Rest von dem Ganzen hab ich nichts zu schaffen.«
Er blickte plötzlich gehetzt über die Schulter und zog den Kopf ein. »’s kann gar nicht gut gehen«, murmelte er.
Tropfen klatschten gegen die Brückensteine. Es fing an zu nieseln, und die vier verbliebenen Gnome drangen tiefer in das Mauseloch vor. Darnamur zog den langen Dolch aus Drachenbein.
Viele Feuer brannten in dem Turm. In einer Nische züngelten gelbe Flammen hinter Glas und warfen ihr Licht weit in den Flur. Aber sie strahlten keine Wärme aus, und es war auch kein Abzug zu erkennen. Die Gnome hatten wieder ihre große Gestalt angenommen, und Audan presste die Nase gegen das Glas.
Darnamur fasste ihn am Ärmel. »Komm«, flüsterte er. »Die Wunder des Palastes können wir bestaunen, wenn er uns gehört.«
»Ich bin nicht hier, um Besitztümer zu erringen«, wandte Haro ein. »Mir geht es nur um die Freiheit der Gnome. Die Alben und alles große Volk mögen ihre Schätze behalten.«
Darnamur funkelte den Alten an und legte einen Finger auf den Mund. »Geliuna soll es nicht behalten«, zischte er. »Und sie soll uns auch nicht vorzeitig hören. Ihr Schlafgemach liegt hinter der letzten Tür auf diesem Gang. Wir müssen wieder klein werden.«
»Woher weißt du …«, setzte Haro an, aber da schnurrte Darnamur auch schon zusammen.
Sie versammelten sich in einem Winkel unter dem züngelnden orangegelben Licht.
»Alben hören uns auch in kleiner Gestalt recht gut«, flüsterte Darnamur seinen Gefährten zu. »Die Fei vermutlich auch. Wir müssen also leise sein.«
Seine Begleiter nickten, und Haro wiederholte seine Frage nicht. Er zog wieder das Knochenmesser, das Darnamur ihm gegeben hatte. Seine Hand zitterte. Unsicher spähte er den Gang entlang, in die Richtung, die Darnamur ihnen gewiesen hatte. Seine Lippen bewegten sich unter ungesprochenen Worten.
Die Gnome huschten weiter. Darnamur hatte sie bis hierhin geführt, nach den Beschreibungen, die seine Spione gesammelt hatten. Sie hatten das Loch in der Mauer durchquert, ohne auf Mäuse zu stoßen, und um die wenigen Nachtalben, die noch unterwegs waren, machten sie einen großen Bogen. Inzwischen bewegten sie sich über einen abgeschiedenen Korridor, der nur den engsten Vertrauten der Schwarzen Fei vorbehalten war. Und sie waren allein hier.
Vor einer Tür, die als goldenes Relief eine Dornenranke mit feinen Blüten zeigte, hielten sie inne. Von innen sickerte Tageslicht auf die Schwelle. In der Kammer dahinter musste ein Fenster sein. Darnamur legte sich auf den Bauch und zupfte Magati am Hosenbein, bis sie ihm folgte. Nach und nach krochen alle Gnome unter der Tür hindurch.
Das Schlafgemach der Herrin war erstaunlich einfach gehalten. In der hinteren Ecke konnte man die Umrisse eines riesigen Bettes erahnen. Es war von Bahnen feiner Vorhänge umgeben, die so zart waren wie Schleier. Sie reichten von der Decke bis zum Boden und waren zum Bett hin gebauscht wie die Blätter um den Kelch einer schlanken Blüte.
Einige schwerere Vorhänge verdeckten das Fenster. Nur ein heller Umriss zeichnete sich dahinter ab. Feine Tische mit schlanken Beinen, Hocker und Lehnstühle und ein zierliches Pult verteilten sich in dem Raum. Wie die Täfelung der Wände war alles in dem Raum in edlem Weiß gehalten.
Nichts regte sich, kein Laut war zu vernehmen.
Darnamur zog mit der Linken Audan, mit der Rechten Haro zu sich und wisperte beiden zu: »Ihr kümmert Euch um die Herrin, ich hab noch was anderes vor.«
Audan blieb starr vor Schreck zurück, als Darnamur lautlos unter der Türritze hindurch verschwand. Er hörte ein Klappern und zuckte zusammen. Haro war das Knochenmesser aus der Hand gefallen.
»Aber … aber … das kann er doch nicht …«, stotterte der alte Gnom.
»Pst«, zischte Magati.
»Er hat recht!«, flüsterte Audan. »Darnamur kann uns doch jetzt nicht allein lassen!«
»Er hat es getan«, flüsterte Magati zurück. »Wir haben nur die Wahl, ob wir weitermachen oder mit ihm das Weite
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