Der Tag Des Falken
trank einen kleinen Schluck Cognac. »Ich freue mich, daß ihr euch entschlossen habt, diese kleine Kreuzfahrt mitzumachen. Ihr seid gute Freunde.«
Escalante nickte dankend; Pena schwieg, während er zusah, wie der Steward ihm nachschenkte. »Jörge, wie ist's heutzutage in Medellin?«
fragte Gachez den kleinen Dicken, der jetzt das dritte Glas kippte. »Ich bin schon allzulange nicht mehr dort gewesen.«
»Immer gleich«, erklärte Pena ihm. »Heiß und langweilig. Das einzig Gute daran ist, daß meine Frau in Rio de Janeiro ist.«
Darauf folgte eine verlegene Pause, in der Pena sich wieder seinem Glas widmete, denn er war als Trinker ebenso maßlos wie als Schürzenjäger. Daß er keine Mühe hatte, genügend Frauen zu finden, war ein Beweis für die Macht seines Llahos — seines Kokains - und seines Geldes. »Und wie geht das Ge schäft?« wollte Pena von Gachez wissen. »Du bist schon verdammt lange fort.«
»Recht gut, würde ich sagen«, antwortete Gachez. »Ich bin jedenfalls zufrieden.« Er machte eine Pause und musterte die beiden Gäste mit seinem Reptilblick. »Aha! Darum geht's also, was? Meine guten alten Freunde aus der Heimat sind nicht nur privat hier? Vielleicht eher wegen einer Mitteilung des Kartells?«
»Die anderen Familien sind sehr zufrieden mit dir, Gonzales, sehr zufrieden«, versicherte Escalante ihm hastig. »Wir alle haben den Druck der Amerikaner und sogar der Linken in unserer eigenen Regierung zu spüren bekommen. Wir alle haben unsere
Lieferungen und folglich auch die Produktion reduzieren müssen. Nur deine läuft wie gewohnt weiter. Wie schaffst du das?«
Gachez lächelte weiter, obwohl er innerlich kochte. Diese Waschlappen! dachte er. »Unsinn, Pablo, ich tue nichts Besonderes...«
»Du hast allein letzten Monat sechstausend Kilo nach Südflo rida gebracht«, stellte Pena fest. Er nahm einen weiteren Schluck Cognac.
»Während das Kartell geglaubt hat, Südflorida sei für uns gesperrt, hast du eine neue Route gefunden. Senor Escalante setzt seine Beredsamkeit und sein Hollywoodlächeln ein, um dir Auskünfte zu entlocken, Gonzales«, fuhr Pena grob fort. »Das hab' ich nicht nötig. Wir gehören alle dem Kartell an; wir haben uns die Einnahmen geteilt... und jetzt mußt du dein Wissen mit uns teilen. Wie bringst du dein Produkt nach Florida?«
»Zwischen uns gibt's keine Geheimnisse«, beteuerte Gachez. Er breitete seine Hände aus. »Wir sind eine einzige große Familie. Ich habe euch immer alles erzählt.« Er wandte sich an Escalante. »Erinnerst du dich an Jose, mein Freund? Ich habe ihn dir vor acht Monaten in Havanna vorgestellt...«
Escalante überlegte kurz; dann lächelte er verwundert.
»Du meinst diese Kinder?« fragte Pena. Du läßt diese Escupi-ros für dich fliegen?«
»Richtig«, bestätigte Gachez, der Mühe hatte, sich nicht anmerken zu lassen, wie irritiert er war. »Ich habe sie dir vor über einem Jahr vorgestellt, und du hast sie hohnlächelnd abgelehnt. Ich habe euch von meinen Plänen erzählt, die uns alle reich machen würden. Aber ihr habt nicht zuhören wollen.« Gachez stand auf und ging zwischen Konferenztisch und Sitzgruppe auf und ab. »Und jetzt soll ich ihre Dienste mit euch teilen?«
»Deinen kubanischen Kindergarten kannst du behalten«, sagte Pena. »Ich wollte bloß hinter dein Geheimnis kommen. Aber seitdem ich's kenne...« Trotzdem war er besorgt.
»Diese Kinder sollen das Überwachungssystem der amerikanischen Küstenwache durchbrochen haben?« fragte Escalante ungläubig.
»Die Cuchillos sind jung, clever, erfinderisch - und loyal«, versicherte Gachez ihm. »Sie arbeiten für mich - aber natürlich stehen ihre Dienste jedem Kartellmitglied zur Verfügung. Ich bin gern bereit, dafür einen fairen Preis auszuhandeln.«
»Das hab' ich mir gedacht«, murmelte Pena. Er machte dem Steward ein Zeichen, ihm nachzuschenken.
Gachez ignorierte ihn. »Ich schlage vor, daß wir an Deck gehen und weiterverhandeln«, sagte er zu Escalante, und die beiden verließen wortlos den Raum.
Pena ließ sich noch einen Cognac geben. Gachez hatte also die Cuchillos angeheuert. Ein kühner Schritt für Gachez, der sich sonst wie jeder eingewanderte Mafioso ausschließlich mit Blutsverwandten umgab. Ein kühner Schritt - der aber Erfolg zu bringen schien. Und der Erfolg gab Gachez recht. Das mußte näher untersucht werden.
Möglicherweise war dies nicht nur ein Experiment, sondern ein Versuch von Gachez, die Macht zu ergreifen und sich an die
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