Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition)
Abend? So gegen neun?“
Emily wunderte sich zwar über die Uhrzeit, versprach aber, zu kommen.
„Darf ich dann vielleicht bei dir schlafen? Der Weg ist ziemlich weit, und wenn ich so spät erst kommen soll…“
„Natürlich, natürlich! Also bis dann!“
Emily überlegte, ob sie mit dem Zug fahren sollte. Doch dann fiel ihr ein, dass ihre Mutter einen uralten Sierra im Schuppen stehen hatte, der nur selten benutzt worden war . Wenn er nicht gerade seit sechs Jahren ungenutzt herum stand, müsste sie damit nach Canterbury fahren können.
Da sie sowieso nicht wusste, wie sie die restliche Zeit bis zum Abend totschlagen sollte, beschloss Emily also am nächsten Tag , wieder nach Fulham zu fahren und sich um das Auto zu kümmern. Vielleicht konnte sie bei der Gelegenheit auch einen Blick in die Küche des Cottages werfen und diese leidige Sache endlich hinter sich bringen. Doch vorher erkundigte sie sich noch bei Mrs. Mallon, ob es schon Neuigkeiten über den Tod von Stefan Eckkamp gab. Wie erwartet begegnete ihr ein Wortschwall, aus dem sie die Informationen heraus pickte.
„Oh, Miss Watson! Es ist ja so schrecklich. Haben Sie sich denn ein wenig gefangen? Sie haben schon wieder etwas Farbe bekommen, sehr gut. Nein, man hat uns noch nichts Neues zum Tod des netten Herrn sagen können. Glauben Sie denn, man wird uns informieren? Vielleicht wird nur seiner Familie Genaueres gesagt, und sie kommen seine Sachen abholen, und wir werden nie erfahren, was mit ihm passiert ist! Aber ich glaube, der nette Officer von gestern wollte auch einen Mord nicht völlig ausschließen! Stellen Sie sich das vor! Aber er hat schon Recht: E in kerngesunder Mann, der plötzlich einfach tot auf der Erde liegt, mit nur einer kleinen Wunde, und das auch noch auf dem Friedhof! Was um Himmels Willen tut man denn da! Ist er außerdem nicht eigentlich nachts verschlossen?“
Emily zuckte die Schultern, lächelte nett, bedankte sich für die Auskunft und versuchte, die alte Dame schnellstens hinter sich zu lassen. Was sie jetzt nicht gebrauchen konnte, waren weitere schreck liche Geschichten . Außerdem schmerzte es sie, zu lange über Stefan Eckkamp nachzudenken.
Entschlossen nahm sie sich ein Taxi, ließ sich nach Fulham fahren und schloss als erstes den alten Schuppen auf, der hinter dem Cottage verborgen lag. Emily lachte laut auf: S ie hatte sich nicht geirrt! Der alte Ford Sierra stand dort, unter einer Plane verborgen. Als sie sie herunter zog, staunte die junge Frau nicht schlecht: D er rote Lack blinkte ihr frisch poliert entgegen. Wahrscheinlich hatte der freundliche Nachbar, der sich um den Garten gesorgt hatte, auch das Auto in Schuss gehalten.
Um die Autoschlüssel zu holen, musste sie dann aber doch ins Haus und traute sich nun endlich auch in die Küche. Einmal tief durchatmend blieb sie auf der Türschwelle stehen und sah sich skeptisch in dem vertrauten Raum um. Auf die blanken Fliesen war mit Kreide der Umriss ihrer Mutter gemalt worden, als man sie fand. Emily schüttelte angewidert den Kopf. Sie war der Meinung gewesen, dass so etwas nur an Tatorten von Morden gemacht wurde. Es war kein Blut zu sehen und keine Kampfspuren. Anscheinend hatte es sich wirklich um einen Herzstillstand gehandelt. Doch dann fiel Emily ein kleiner Gegenstand auf, der sie stutzig machte: A uf dem Küchentisch lag die Kette ihrer Mutter mit dem kleinen Kreuzanhänger. Sie sah sich den Verschluss genauer an . M an musste ihr die Kette gewaltsam vom Hals gerissen haben.
Oder hatte Emma Watson selbst…?
Diese Frage würde ihr nun niemand mehr beantworten können. Nachdenklich steckte Emily die Kette ein und ging zurück in den Flur, wo sie den Autoschlüssel vom Schlüsselbrett nahm und das Cottage wieder verließ.
Zu ihrem Glück sprang der Motor des Sierra sofort an, und sie hantierte unsicher mit der Gangschaltung herum , bis ihre Erinnerung daran zurückkam, wie man ein Auto fuhr. Emily besaß zwar einen Führerschein, war aber seit einigen Jahren nicht mehr gefahren , schon gar nicht im mittlerweile ungewohnten Linksverkehr, und daher komplett aus der Übung. Und so fuhr sie erst ein paar Runden um den Block, übte mehrmals Einparken , probierte alle Funktionen des Autos aus und ertappte sich mehrmals dabei, auf die falsche Straßenseite zu schwenken , bevor sie sich schließlich sicher genug fühlte, um mit dem Auto zurück zur Pension von Mrs. Mallon zu fahren.
Diese stieß einen entzückten Seufzer aus, als Emily mit dem leuchtend
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