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Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition)

Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition)

Titel: Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Münster
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Jahrhunderte, eine Ankleidepuppe oder ähnlich bizarre Gegenstände zu finden, die dem Klischee eines alten Speichers entsprachen, doch in dieser Hinsicht enttäuschte Emma Watson ihre Tochter nachträglich.
    In einer Ecke lag eine alte, kaputte Wäschespinne, an die Emily sich dunkel erinnern konnte. Daneben lagen die Reste eines Trockengestells, das früher einmal über der Badewanne aufgestellt w orden war . Eine Kiste mit Werkzeug, das ihrem Vater gehört hatte und mehrere große Kartons, die laut der Aufschrift seine Kleidung enthielten, standen an der anderen Seite des Speichers. Emily ging hinüber, öffnete einen der Kartons und strich zärtlich über einen dicken, roten Wollp ulli, den ihr Dad immer zur Gartenarbeit getragen hatte. Unvermittelt fing sie an zu weinen. Die junge Frau vermisste ihren Vater schmerzlich, auch nach so vielen Jahren noch.
    Da der Pulli nicht muffig roch, zog Emily ihn aus dem Karton heraus und streifte ihn sich über. Das plötzliche Gefühl der Geborgenheit, das sie umfing, stärkte sie, als sie sich flüchtig die Tränen abwischte und sich dann weiter auf dem Speicher umsah. Ihr altes Puppenhaus, zwei kaputte Barbies, ein Stapel mit Zeitschriften.
    Sie blätterte hindurch. Frauenmagazine, Gartenprospekte. In einem anderen Winkel des Speichers entdeckte sie eine Art Seesack, der recht neu aussah. Sie beschloss, ihn später mitzunehmen. Vielleicht konnte sie dort Wertgegenstände hinein legen, die sie aus dem Hausstand retten wollte.
    Nachdem sie ein Regal abgesucht hatte, in dem  kitschige Frauenromane, alte Einmachgläser und Ähnliches herum lagen, fiel ihr Blick schließlich auf eine Truhe, die mit einer dicken Staubschicht belegt war. Emily ging zurück zur Speicherk lappe und griff sich den Besen, den sie direkt daneben auf den Boden gelegt hatte. Schnell entfernte sie die Staubschicht auf dem Kistendeckel , hustete ein wenig von dem aufgewirbelten Staub und stieß einen überraschten Laut aus, als sie die wunderschön ge stalteten Ornamente sah, die hinein gearbeitet waren. Das Alter des Möbelstücks konnte sie nur schätzen, aber sie vermutete , dass die Truhe mindestens zweihundert Jahre alt war. Ein echtes Familienerbstück wahrscheinlich .
    Zu ihrer Freude ließ sich der Deckel ohne Probleme anheben. Und Emily wusste sofort, dass sie nun endlich gefunden hatte, wonach sie die ganze Zeit auf der Suche gewesen war . Die gesamte Truhe war voll mit alten Fotos, Urkunden und anderen Dokumenten.
    Sie setzte sich im Schneidersitz davor auf den Boden und begann, in den Papieren zu kramen. Die Dokumente stellten sich allesamt als unwichtig heraus, wenn sie auch interessante Informationen enthielten: Heiratsurkunden und Grundbucheinträge von verschiedenen Besitztümern, außerdem ein paar Geburts- und Sterbeurkunden, die Emily aber alle nichts sagten , da sie die genannten Personen weder kannte noch zuordnen konnte . Doch ein Gefühl sagte ihr , dass zwischen diesen Papieren das Geheimnis ihrer Familie begraben lag .
    Schließlich wandte sie sich den Fotos zu. Die meisten waren Portraits längst verstorbener Familienmitglieder, aus einer Zeit, zu der Fotos nicht im Alltag gemacht wurden, sondern nur als perfekte Portraits zu besonderen Anlässen. Ein paar waren neueren Ursprungs: ein Abzug d e s Hochzeitsfoto s ihrer Eltern zum Beispiel, das Emily wehmütig einen Moment lang betrachtete. Was für Träume und Hoffnungen mochten ihre Eltern damals gehabt haben?
    Dann fiel ihr ein Familienfoto ins Auge. Ein Gruppen bild , das offensichtlich bei einem großen Anlass aufgenommen w orden war . Es war eine Nachtaufnahme, im Hintergrund war ein prunkvolles Feuerwerk zu sehen. Emily wunderte sich, dass man schon damals ein derartiges Bild zustande gebracht hatte, ohne dass es überbelichtet oder unscharf wurde.
    Auf der Rückseite war das Jahr vermerkt, in dem das Bild aufgenommen wurde: 19 3 0.
    Außerdem waren alle Namen der Anwesenden aufschrieben, und zwar direkt auf der Rückseite des dazu passenden Gesichts. Eine Weile ging Emily die Namen durch und betrachtete die dazu passenden Personen . Bis sie plötzlich geradezu mit den Augen über etwas stolperte: A n zwei Stellen waren Namen auf der Rückseite vermerkt, doch auf dem Bild stand dort niemand. Es waren zwei kleine Lücken mitten in dem Gruppenbild vorhanden , die einem erst auffielen, wenn man genau darauf achtete . Emily sah sich das Fotopapier genauer an. Es hatte niemand daran herum radiert oder ähnliche Manipulationen

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