Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition)
blitzte ihn gespielt provokant aus ihren schönen Augen an, „da du hier so tolle Fenster eingebaut hast, könntest du dich eigentlich auch auf meinen Rhythmus einstellen! Dann könntest du zumindest für eine Weile den Anblick des Sonnenscheins draußen genießen.“
Roy lächelte sie bewundernd an. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie offen ihren spitzbübischen Charme spielen lassen würde und eine derart gute Laune entwickelte. Es gefiel ihm mehr als er zugeben wollte. Zudem sah er sie heute zum ersten Mal nicht mit den Augen eines Mannes an, der seine verstorbene Frau wieder zu erkennen glaubte. Sie hatte ihr Aussehen so verändert, sich so geschminkt, dass er nur sie sah: Emily Watson. Und was er sah gefiel ihm sehr.
„Tatsächlich würde ich das sehr gerne tun. Aber du bist in die Welt der Vampire geraten, und wir müssen mit den anderen in Verbindung bleiben. Also wirst du dich wohl oder übel nach uns richten müssen.“
Der Blick, mit dem er die junge Frau bedachte, ließ ihr die Röte ins Gesicht steigen. Um das erneut aufkommende Knistern zwischen ihnen im Keim zu ersticken, ging Emily demonstrativ an Roy vorbei auf die Tür zu. „Gut, wenn es sein muss. Aber nicht ohne ein ordentliches Frühstück! Hatte ich im Gefrierfach gestern… ä h… heute Morgen Brötchen gesehen?“
Der Vampir folgte ihr auf dem Fuß, und sie spürte die Blicke förmlich, mit denen er ihr Hinterteil und ihren sanften Hüftschwung bedachte.
„Du willst um halb sechs abends Brötchen essen? Auch wenn bei dir jetzt alles verdreht ist: S ollte es nicht lieber ein richtiges Abendessen sein?“
Emily lachte. „Gut, dann eben noch einmal Steak!“
Es wurde kein Steak, sondern ein Gemüseauflauf aus der Packung, aber satt war sie anschließend trotzdem.
Nachdem sie die Küche wieder in Ordnung gebracht hatten, b at Roy sie, ihm in sein Arbeitszimmer zu folgen. Er nahm eine gute Flasche Rotwein mit und beschloss spontan, ein Glas mit zu trinken.
Emily staunte über die Kommunikationsanlage in dem relativ kleinen Raum . Der Vampir hatte ein Bildtelefon installieren lassen, konnte also seinen Gesprächspartner beim Telefonieren sehen.
Nun schaltete er es ein und wählte eine bestimmte Nummer an. Sekunden später erhellte sich der kleine Monitor, und ein Fremder war zu sehen, der den Lord freundlich begrüßte.
„Roy! Endlich! Wir haben uns schon Sorgen gemacht. Bist du dort?“
„Ja. Hallo Vincent. Die kleine Watson ist wohlbehalten bei mir, wie du siehst. Wie ist die Lage?“
Der blonde Vampir, augenscheinlich ein Baum von einem Mann, ließ die Schultern hängen und schüttelte den Kopf.
„Es sieht nicht gut aus, Roy. Die VHA hat bereits zwei von uns auf dem Gewissen. Sie haben dicht gehalten und wurden dafür dem Sonnenlicht ausgesetzt. Aber Dorothy haben sie noch in d er Mangel. Sie ist nicht gerade das stärkste Glied unserer Kette. Ich weiß nicht, wie lange sie durchhält.“
Roy nickte nachdenklich. Emily sah rotes Feuer in seinen Augen. Er war wütend, weil er zur Hilflosigkeit verdammt war. Als Familienoberhaupt war es momentan seine oberste Priorität, so lange wie möglich zu überleben, um die anderen lenken und leiten zu können.
„Vincent, du verhängst sofort eine absolute Ausgangssperre. Niemand darf hinaus, und die, die draußen sind, dürfen auf keinen Fall hinein. Wer weiß, wen sie sonst ungewollt mitbringen . Du hast meine Erlaubnis, den Notvorrat anzuzapfen, wenn es nötig sein sollte.
Halte mich auf dem Laufenden.“
Vincent nickte, dann brach die Verbindung ab. Eine Weile herrschte Schweigen im Arbeitszimmer, das im Gegensatz zu den anderen Räumen spärlich eingerichtet war und sich weitgehend auf die moderne technische Spielerei beschränkte.
Irgendwann erwachte Emily aus ihrer Starre. „Was hast du mit dem ‚Notvorrat’ gemeint?“
Roy reagierte unerwartet ungehalten: „Na, was schon? Eine Speisekammer für den Notfall! Eine separate Blutbank in der Unterkunft, die Reserven für einige Wochen beinhaltet und die ganze Familie ernähren kann! Nicht die, die du gesehen hast. “
Emily wich gekränkt zurück und schickte sich an, das Zimmer zu verlassen. Doch Roy hielt sie, plötzlich wieder sanft, am Arm zurück. Die junge Frau hatte große Mühe, mit seinen wechselnden Stimmungen umzugehen.
„Schon gut, tut mir leid. Ich mache mir Sorgen. Ich wollte es nicht an dir auslassen. Dorothy macht mir Sorgen. Ich befürchte, dass sie reden wird. Ich muss mir überlegen, was wir dann
Weitere Kostenlose Bücher