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Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Titel: Der Tag ist hell, ich schreibe dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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Anliegen; der Kollege stellte den Kontakt her.
    » Sag mal, du sollst mit diesem Turnseck befreundet gewesen sein?«, fragte dieser Kollege.
    » Ja«, sagte ich, » stimmt.«
    » Ist ja ein Ding.«
    » Hm.«
    » Wärst du bereit, mit Jonathan Kepler über ihn zu sprechen? Er möchte einfach nur ein paar andere Aspekte in seinen Artikel bringen als die allgemein bekannten.«
    » Ich weiß nicht.«
    » Keine Sorge, er ist in Ordnung.«
    8
    Es stellte sich heraus, dass sich unser nächstes Treffen wohl erst fünf Wochen später einrichten lassen würde.
    » Fünf Wochen?« Ich fiel aus allen Wolken. Ich rannte ins Leere. Du hattest wieder Termine im Ausland und würdest in den Ferien mit deiner Familie in die Berge fahren.
    » Ich bedaure es zutiefst«, sagtest du, » dass mein Dienstplan keine anderen Möglichkeiten zulässt.« Diese Formulierung, so fremd und sonderbar in meinen Ohren, hatte ich mir wörtlich in mein Tagebuch geschrieben, von Tränen verwischt steht sie dort.
    Keine Umstellung, kein Treffen.
    Plötzlich bekam ich entsetzliche Magenkrämpfe.
    Erst am übernächsten Tag schrieb ich meinen nächsten Brief.
    3. April 1982
    Schneeluft und Frühling
    Lieber Herr,
    gestern war ich mit einer Freundin im Theater, wir sahen Ödön von Horváths Don Juan kehrt aus dem Krieg zurück . Die Bühne war weder vollgepackt wie so oft, noch ganz nackt; einige wenige Gegenstände setzten Akzente. Don Juan war älter geworden, kehrte vom Krieg zurück, anziehend und kühl zugleich. Don Juan hat sich verändert, im Laufe der Jahrhunderte, jetzt, im zwanzigsten, muss er gar nichts machen, jetzt sind es die Frauen, die ihn verführen, die alle was von ihm wollen, erlöst werden, befreit, geliebt, beglückt. Die sich an ihn klammern und » lass mich!« schreien, im Wechsel und ohne Übergang. Fünfunddreißig Frauenrollen gab Horváth vor, aber sie sollten nur von einer Handvoll Schauspielerinnen gespielt werden. Ich hasse es, Menschen auf Grundtypen zurückzuführen. Die » Kalte«, die so tut, als wollte sie nichts von ihm, und der er doch gefällt, die » Weiche«, die es braucht, den Männern zu gefallen, die » Gereiftere«, die noch einmal verehrt werden möchte, bevor es aus und vorbei ist. Und Don Juan bedient sie alle, so sah das aus auf der Bühne, nichts mehr vom Verführer, der alle Fäden in der Hand hat. Niemand hat heute die Fäden mehr in der Hand, nicht wahr? Und Don Juan? Hat keine Lust mehr, diese Art Mann zu sein, der gibt und beseelt und beglückt und erlöst, er will sich ausruhen. Plötzlich fällt ihm seine erste Liebe ein, er fängt an, sie zu suchen, und dann gab es diesen wunderbaren Augenblick, in dem er ins Grab dieser allerersten Braut starrt und zu einem Schneemann, der daneben steht, sagt: » Es wird wärmer, der sich halten lässt.«
    Ist das so? Ich weiß es nicht. Ihre Helen
    Julius rief vor einer Sitzung an und fragte mit leichtem Entsetzen: » Bin ich für Sie zu alt? Bin ich ein alternder Don Juan?«
    Ich musste kichern. » Na ja«, sagte ich, » nein. Überhaupt nicht. Kein Don Juan. Hoffe ich doch, oder?«
    » Nein!«
    Jetzt lachte er. Ich fiel wieder in die Arme seines Lachens, es war wie ein Trick oder Zauber.
    » Ich habe jetzt gleich eine Sitzung, ich wollte nur Ihre Stimme hören und Ihnen einen schönen Abend wünschen!«
    Und schon war es wieder zu Ende, unser Gespräch. Zum Glück rief gleich darauf Hanno an, mein Freund mit dem Erdbeerquark.
    9
    Ich hatte noch nie in dieser Weise über dich nachgedacht oder nachdenken wollen, auf die Jonathan Kepler danach fragte. Etwas daran war für mich nicht zu greifen, vielleicht die Kluft zwischen der Zeit, in der ich dich gekannt hatte, Julius, und der Zeit, in der ich nach dir gefragt wurde. Vor allem aber die Kluft des Fremden, der auf dich blickte und meine Geschichte mit dir. Ich erinnerte mich an den Besuch des Dokumentarfilmers, der meine Adresse von Pia erhalten hatte, es war einige Jahre vor Keplers Interview gewesen. Ich hatte mit ihm im Garten gesessen, eines meiner Kinder auf dem Schoß, und vorsichtig ein paar Dinge erzählt, die ich über Julius wusste und die ich wichtig fand, um ein Bild von ihm zu zeichnen. Nichts sonst. Ich wollte und konnte es nicht. Ich erinnerte mich an den Schock, als ich schließlich den Film von Joachim Römer zum ersten Mal im Kino sah: Dieser Mann war Julius Turnseck, die öffentliche Person, dieser Mann warst nicht du, mein Julius. Er war ein Repräsentant und als solcher ermordet worden. In

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