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Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Titel: Der Tag ist hell, ich schreibe dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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Sie war neidisch, dass an diese kleine, feine Universität üppige Gelder fließen würden, die an ihrer eigenen fehlten, und fühlte sich eigenartigerweise persönlich zurückgesetzt. Sie fand das ganze Unterfangen blöd und sah in Julius Turnseck einen Verräter.
    » Diese ganze Idee der Elite ist mehr als fragwürdig«, sagte sie zornig, » sie ist, verzeihen Sie, vollkommen reaktionär!« Vor lauter Aufregung zerrte sie an ihrem himmelblauen Kleid, das ihr nun ganz unpassend vorkam.
    Sie waren bei der Limousine angelangt, deren schwarzer Lack in der Sonne glänzte. Helen starrte auf den Wagen und fragte sich, was sie hier überhaupt wollte, mit einem Bankier, der noch dazu herumkutschiert wurde. Herr Lippens, in seinem Chauffeursanzug, wartete bereits mit dem geöffneten Schlag, wie man die Türen eines Wagens vor langer Zeit einmal nannte, und deutete eine knappe Verbeugung an. » Ich will nicht drängen«, sagte er, » aber ich fürchte, wir müssen.«
    » Wollen Sie mich nicht bitte trotzdem zum Flughafen begleiten?«, bat Julius Turnseck. » Wir können doch nicht im Streit auseinandergehen! Helen!«
    Helen, mit hochrotem Kopf, zog einen Flunsch. Fast hätte sie vergessen, dass er ja ihr zuliebe gekommen war, dass er eigens eingeflogen war, um sie wegen ihres Schlamassels am Institut zu unterstützen. » Bitte!«, sagte er und zeigte auf den Rücksitz. Am liebsten wäre sie wütend davongestapft, doch sein offener Blick entwaffnete sie.
    » Also gut«, brummte sie und stieg in den Wagen, dessen Tür ihr Herr Lippens immer noch einladend aufhielt. Sie rutschte auf die andere Seite, Julius Turnseck folgte ihr. Als sie dicht neben ihm auf der blitzblanken, fest gepolsterten schwarzen Lederbank im Fond saß und Herr Lippens ihr im Rückspiegel freundlich zunickte, kam ihr die ganze Situation plötzlich so absurd vor, dass sie anfing zu kichern.
    Herr Lippens sah sie fragend an und dann seinen Chef, der nur langsam den Kopf schüttelte. » Sie sind mir ja ein schöner Hitzkopf!«, sagte Julius Turnseck. » Ich hätte nicht gedacht, dass sich Ihre Leidenschaft solcherart gegen mich richten könnte! Wir müssen das alles in Ruhe klären«, sagte er beschwichtigend, » das lässt sich offenbar nicht in wenigen Minuten tun.«
    » Allerdings«, sagte Helen. » Ich muss mir jetzt ja wohl auch immer ganz genau überlegen, was ich Ihnen von den Herren Professoren erzähle. Sie haben mich ja regelrecht ausgehorcht! Und vorher diese Vorträge in Sachen Offenheit, also wirklich!«
    Mata Hari, fluchte sie innerlich, wo steckst du?
    » Nun seien Sie doch nicht so böse«, sagte Julius Turnseck, » wir wollen doch nur unsere Meinungen austauschen!«
    Helen seufzte, Julius Turnseck erklärte, und sie diskutierten noch, bis sie am Flughafen angelangt waren. Allmählich schlugen sie einen freundlicheren Ton an, und bevor Julius Turnseck in der Drehtür mit den anderen Reisenden verschwand, um wieder zurück nach Frankfurt zu fliegen, umarmte er sie heftig.
    » Auf ganz bald, liebe Helen, auf ganz bald! Und schreiben Sie mir! Alles, was Ihnen dazu einfällt! Ich rufe Sie an!«
    Er bat Herrn Lippens, der seinem Chef die Aktentasche und das Flugticket in die freie Hand drückte, die junge Dame wieder wohlbehalten nach Hause zu bringen, » wie immer!«, und Herr Lippens machte eine knappe Verbeugung und lächelte, » alles klar, wie immer!« In der Drehtür wandte sich Julius Turnseck noch einmal um und winkte Helen zu. Und Helen griff sich ans Herz, verwundert, wie lieb er ihr war.
    4 Väterlich
    Lieber Herr,
    Sie haben mir einen sehr höflichen, etwas förmlichen, aber aufmerksamen Brief geschrieben. Sie hätten sich die liebenswürdigen Einschränkungen sparen können; Sie haben meinen wunden Punkt leicht erkannt. Warum, glauben Sie, habe ich gezögert, Ihnen meine erste Hausarbeit zu schicken? Sie kritisieren mich sicher zu Recht; aber bedenken Sie: Ich habe das Studium der Philosophie ja auch aufgenommen, um meinen krausen Kopf mit den vielen Assoziationen zu disziplinieren. Ich bin eben mit der Literatur zum » Denken« gekommen, und dort gelten diese » Schwächen« – wie das Abschweifen, das Umkreisen – manchmal sogar als » Stärken«. Nun habe ich Angst, dass Sie mich weniger mögen, weil ich nicht stringent genug bin!
    Mit zitternden Knien, Ihre Helen
    Schon bei ihrem ersten oder zweiten Treffen hatte Julius Turnseck Helen nicht nur Fotos seiner Frau Pia und seiner kleinen Tochter Jessica gezeigt, sondern auch seine

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