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Der Tag mit Tiger - Roman

Der Tag mit Tiger - Roman

Titel: Der Tag mit Tiger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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an.
    »Hast du große Schmerzen, Jakob?«, erkundigte sich Anne mitfühlend.
    »Ach woher! Es gehört zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, mich von idiotischen Menschen verprügeln zu lassen.«
    Diese wirklich besonders liebenswürdige Antwort erstickte jedes weitere Mitgefühl, und so trotteten sie weiter hügelan bis zum Waldrand. Jakob und Tiger, die sich leise unterhielten, schritten voran, Anne und Nina schweigend hinterher.
    Plötzlich tauchten neben ihnen zwei weitere Silhouetten auf leisen Sohlen auf. Anne erkannte mit Erschrecken die schwarzweißen Gestalten von Tim und Tammy und machte sich auf weitere Auseinandersetzungen gefasst. Sie merkte, wie sich ihr Fell zu sträuben begann, und wollte in Abwehrposition gehen, als sie ein freundliches Kichern förmlich entwaffnete.
    »Ganz schön kämpferisch, deine Kleine, Tiger.«
    »O hallo, Tammy, hallo Tim. Das Bad heute Morgen genossen?«
    »Das war ekelhaft und unfair. Aber was kann man von solchen wie Anne auch erwarten? Immerhin, die Keilerei hat einen Riesenspaß gemacht, nicht?«
    Zögernd mischte sich Anne ein: »Und ihr seid mir nicht böse?«
    »Bist du uns böse?«, lautete die Gegenfrage.
    »Äh … Nö.«
    »Dann is ja alles klar, nich.«
    »Hey, Tammy, da is ja auch unser Schlappohr«, machte Tim seinen Bruder aufmerksam.
    Weit davon entfernt, sich provozieren zu lassen, meinte Nina nur: »Bist selber eins« und ließ die Sache auf sich beruhen.
    »Was hat Jakob denn? Na, altes Hinkebeinchen, hat dich dein Opa getreten?«
    Jakob reagierte nicht auf Tammys Frotzeleien, und Tiger wies den Kater zurecht, er solle endlich seine unqualifizierten Bemerkungen für sich behalten.
    »Okay, Alter, wir haben vier Bengels davonrauschen sehen. Der eine führte deine Handschrift im Gesicht.«
    Worauf Jakob sogar ein trockenes Lachen zustande brachte und ihn angrinste. »Na, die wirst du wohl wiedererkennen können.«
    Gemeinsam setzten sie ihren Weg fort, bis sie zu einer Wiese am Waldrand kamen. Dort suchten sie sich jeder einen Platz, auf dem sie sich aufrecht hinsetzten. Anne blieb bei Nina in einer Mulde mit weichem, kurzem Gras sitzen. Tim und Tammy nahmen auf einem flachen, noch ein wenig sonnenwarmen Felsbrocken Platz, Jakob hielt sich abseits, und Tiger sprang auf einen alten Baumstumpf und saß damit etwas höher als die anderen. Abendwind rauschte in den Bäumen, und das Gras raschelte leise. Es roch nach Tannen und blühenden Hecken. Das Vogelgezwitscher war inzwischen verklungen, und das erste Käuzchen schrie versuchsweise seinen Klagelaut in die mondhelle Nacht. In der Ferne waren die Motorengeräusche einiger Fahrzeuge zu hören, und irgendwo blökte noch eine unzufriedene Kuh.
    Anne bemerkte immer mehr Schattengestalten, die sichleisepfotig einfanden und nun das ganze Rund der kleinen Wiese bevölkerten. Einige erkannte sie wieder. Die wuscheligweiße Fleuri mit dem Glöckchen – wie hatte sie es nur geschafft, so lautlos herzukommen? –, der schwarze Rasputin, dessen Heim das Postamt war, die geschwätzige Siamkatze Diti aus der Nachbarschaft, die rote Minka vom Bauernhof, die aber hin und wieder durch das Dorf streifte, und der vornehme King Henry VIII., fett, grau-weiß gezeichnet und seinem Namenspatron äußerlich nicht unähnlich, jedoch ungeheuer verschmust. Andere kannte sie flüchtig vom Sehen, aber viele der Versammelten waren ihr gänzlich fremd.
    Um niemand auf sich aufmerksam zu machen, verharrte sie genau wie die anderen in ihrer sitzenden Position, neugierig auf das, was geschehen würde.
    Geraume Zeit tat sich jedoch gar nichts. Die Katzen verhielten sich schweigend, dennoch beschlich Anne das Gefühl, als ob sie einem Gedankenaustausch beiwohne, von dem sie ausgeschlossen war. Kaum eine bewegte sich, nur das eine oder andere Schnurrhaar vibrierte. Plötzlich begann Tim, einen langen, tiefen Ton auszustoßen.
    »JOUUUUUUU!!«, sang er und gab damit den Auftakt zu einem Lied.
    Tammy fing – zu Annes äußerstem Erstaunen – im Sopran an, mit seinem Bruder ein Duett zu singen. »JEIIiiiii, JEIIiiii, JEIIiiii«, johlte er munter drauflos.
    Andere setzten ebenfalls ein, Tiger in einem schönen Bariton, Jakob kontrapunktisch mit heiserem Maunzen, Rasputin selbstverständlich in einem dröhnenden Bass und Fleuri lieblich jammernd.
    Dann erhob Nina ihre Stimme!
    Sie ließ ein derart dissonantes Gejaule los, dass Anne, die direkt neben ihr saß, beinahe die Fassung verloren hätte. Ihr fiel nur ein einziger passender Vergleich ein:

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