Der Talisman (German Edition)
Dampfer hatte in einem Hafen frisches Trinkwasser geladen und befand sich wieder auf hoher See, als das Fehlen des Proviantmeisters bemerkt wurde. Aufgeregt durchsuchte die Mannschaft das Schiff nach dem Vermissten. War er heimlich an Land geblieben, um dem verhassten Kapitän zu entkommen? Warum hatte er seine Sachen an Bord gelassen? War er vielleicht von Bord gefallen? Alle machten sich Sorgen um den Proviantmeister. Nur der Kapitän war ungewöhnlich gleichgültig und Steju bemerkte sein zynisches Grinsen, wenn er sich unentdeckt fühlte. Am Nachmittag beobachtete Steju, wie der Kapitän verstohlen eine Luke aufschloss und hastig unter Deck verschwand. Mit einem unguten Gefühl im Bauch schlich er hinterher. Die letzte Stufe knarrte verräterisch laut und Steju hielt den Atem an. Hatte der Kapitän etwas gehört? Dann konnte er sich auf etwas gefasst machen! Im Gang brannte nur ein schummriges Licht und es dauerte eine Weile, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Es war warm und die Luft war so stickig, dass Steju kaum Luft bekam. Hier unten war er noch nie gewesen und er war sich sicher, dass in diesem Zwischendeck niemand nach dem vermissten Proviantmeister suchen würde. Leise schob sich Steju an der Wand entlang, bis er die angelehnte Tür am Ende des Ganges erreichte. Vorsichtig spähte er in die winzige Kammer. Der Proviantmeister saß auf einer Taurolle. Er war angekettet. Steju hatte genug gesehen und hastete an Deck, um Hilfe zu holen.
Im gleichen Moment zog ein Sturm auf und die ersten Wellen schlugen über die Planken. Die Besatzung befreite den Proviantmeister und erfuhr, dass der geldgierige Kapitän im letzten Hafen fast die gesamte Verpflegung der Mannschaft verkauft hatte. Es kam zur Meuterei. Der Sturm hatte sich zu einem tobenden Orkan entwickelt und das Schiff schwankte gefährlich in den Wellen. Der Kapitän wurde von den wütenden Matrosen aufs Deck gezerrt. Dort wollten die Männer das Urteil über ihn sprechen. Doch dazu kam es nicht mehr. Der Dampfer lief vor Cabeluda auf Grund und schlug leck. Viele Matrosen und auch der heimtückische Kapitän wurden von den Wellen ins Meer gerissen. Als das Schiff sank, hatte sich der Zauberer Dvorach gerade in einen Stein verwandelt. Die steinerne Figur rollte polternd über das Schiffsdeck und krachte über die Reling ins Meer. Dort fiel sie auf eine breite Holzplanke, die im Wasser trieb und wurde von den turmhohen Wellen ans Ufer geworfen. Wie durch ein Wunder retteten sich auch Steju und die Frau des Zauberers an Land. Vergebens warteten sie darauf, dass der Zauberer Dvorach wieder seine menschliche Gestalt annehmen würde. Er blieb ein Stein.
Nach einigen Tagen
ankerte ein
Frachter vor der Insel. Der Kapitän war bereit die Schiffbrüchigen mitzunehmen. Da bat Clara Dvorach den kleinen Steju, an Bord zu gehen und so schnell wie möglich nach Budapest zu reisen. Dort müsse er ihren Sohn Yasha aufsuchen. Yasha sollte mit seinem magischen Talisman sofort auf die Insel Cabeluda kommen, um seinen Vater zu retten!« Während Monsieur Pilori die Geschichte von Steju erzählte, war Yasha kreidebleich geworden und hatte die Lippen fest aufeinander gepresst.
Nun begann er wütend zu schreien: »Warum haben Sie Steju nicht erzählt, dass ich Yasha bin? Ich bin Yasha Dvorach, der Sohn des Zauberers. Sehen Sie hier, mein Talisman! Nun ist Steju fort und er kann mir nichts mehr über meine Eltern erzählen. Daran sind Sie schuld!«
Monsieur Pilori starrte Yasha verwundert an: »Du bist der Sohn mit dem magischen Talisman? Aiyaiyaiy! Aber was nützt uns das jetzt? Steju ist weg. Aber warte, das habe ich vergessen zu erzählen: Auf dem Weg nach Budapest gaben wir in Wien eine Vorstellung. Dort hatte Steju einen furchtbaren Unfall. Er studierte gerade seine neue Nummer ein: der Steinjunge und unsere fünf weißen Hündchen auf dem Hochseil. Wir hatten uns alle im Zelt versammelt und sahen ihnen zu. Plötzlich hörte der Zwerg ein leises Kratzen. Es schien aus der Kiste zu kommen, auf der er saß. Neugierig öffnete er den Deckel und wisst ihr, was drin war? Einer unserer weißen Hunde, sein Schnäuzchen war ganz fest mit einem Tuch zugebunden. Irritiert schaute der Zwerg zum Seil hoch und zählte – oben waren noch immer fünf Hunde. Das war einer zuviel. Im selben Moment verbiss sich eines der Tiere in Stejus Hosenbein und stürzte zusammen mit dem Jungen vom Hochseil. Als der Hund floh, sah der Zwerg seine merkwürdigen Augen: das eine
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