Der Talisman (German Edition)
Aussichtsplattform stand. Ihm stockte der Atem. Es war eine atemberaubende Aussicht. Von hier oben sah man weit über die Stadt und die Lagune. Yasha konnte die Altstadt mit ihren vielen Kanälen und die einzelnen Inseln in der Lagune erkennen. Es sah so aus, als würden die Gebäude wie Blüten aus dem Wasser wachsen. Nun verstand Yasha, was Graf Gregorio meinte, als er von der Einzigartigkeit Venedigs geschwärmt hatte. Glücklich umarmte der Junge seinen Freund. »Danke, dass du mir etwas so Schönes zeigst!«, rief er begeistert aus. Langsam schlenderten sie einmal rund um den Turm und genossen die Aussicht nach allen Seiten. Dann machten sie sich auf den Weg nach unten. »Nun eine Gondelfahrt auf dem berühmten Canale Grande!«, verkündete Graf Gregorio. Noch ganz benommen kletterte Yasha hinter seinem Freund in eines der eleganten Boote. Herrliche bunte Kissen lagen auf den Sitzbänken und der Boden war mit weichen Teppichen ausgelegt. »Seit über 1 300 Jahren werden Gondeln auf die gleiche Weise gebaut. Sie bestehen aus 280 Teilen, die alle von Hand hergestellt und zusammengefügt werden«, erklärte Graf Gregorio.
Der Gondoliere war sehr geschickt. Er konnte in die kleinsten Kanäle einbiegen, unter tiefen Brücken hindurchgleiten und sang dabei, als würde sein Herz vor lauter Freude und Liebe zerbrechen. Yasha war begeistert, Venedig verzauberte ihn! Lautes Flattern riss Yasha aus seinen Träumen. Tausende von Tauben flogen auf.
Mit einem
eleganten Manöver legte
die Gondel am Markusplatz an. »Alles aussteigen, die Stadtbesichtigung geht weiter, bitte mir zu folgen!«, rief Graf Gregorio scherzhaft und zwinkerte Yasha verschmitzt zu. Hoch über ihnen läutete eine Turmuhr. Ein mit einem Hammer bewaffneter Riese schlug die Stunden. Lachend zählten die Freunde die Schläge mit. Sie schlenderten über den Markusplatz. Klick, klack, klick, klack, klick, klack. Der Meißel eines jungen Künstlers flog nur so über eine halbfertige Drachenstatue. Interessiert blieben Graf Gregorio und Yasha stehen und beobachten den staubigen jungen Mann bei seiner Arbeit. Plötzlich deute Graf Gregorio auf ein kleines Bild: »Schau mal, Yasha! Sieh dir das Foto an, nach dem er arbeitet! Das gleiche hast du doch auch!« Vorsichtig zog Yasha das zerknitterte Foto seines Vaters und des Drachens aus seiner Hosentasche. Das Gefühl, auf eine heiße Spur gestoßen zu sein, elektrisierte ihn förmlich. Der junge Künstler hörte mit der Arbeit auf und starrte auf die beiden Fotos. »Das ist mein Vater. Wie sind Sie zu dem Foto gekommen?«, fragte Yasha neugierig. »Eine Bestellung! Es ist ungefähr ein halbes Jahr her, als zwei kanadische Wissenschaftler mir den Auftrag gaben, einen möglichst realistischen Drachen für sie anzufertigen. Als Vorlage bekam ich von ihnen dieses Foto. Mit Hilfe der Drachenskulptur soll die hohe Kommission der Naturwissenschaftler überzeugt werden, dass es diese gefährlichen Drachen gibt. Nur so kann Geld für eine weitere Expedition bewilligt werden, um die Bevölkerung von der Drachenplage zu befreien. Der Mann auf dem Bild, Mister Dvorach, ist auf der Insel Padar geblieben, um der Bevölkerung zu helfen.« Umständlich kramte der junge Bildhauer in einem schmalen roten Ordner und zeigte Yasha den Auftragsschein. Darauf stand in krakeliger Schrift: »Eine Drachenskulptur für Bud Miller und Tchokray, den zweiten Miller. Lieferung so schnell wie möglich an die hohe Kommission der Naturwissenschaftler.«
Der steinerne
Schmetterling glühte. Graf Gregorio legt Yasha die Hand auf die Schulter: »Es sieht ganz so aus, als müsstest du schnell handeln! Lebe wohl, Yasha, und viel Glück!« »Bitte, lieber Talisman! Bring mich zur Insel Padar!«
Der steinerne Schmetterling wirbelte Yasha hoch. Mitten in einem Schwarm Tauben flog er immer höher und höher. Der Markusplatz, die wunderschöne Stadt Venedig und die Lagune wurden kleiner und kleiner.
Damals bei den Liaweps:
»Neiiin – Zürban!
Flieh, Yasha!«, schrie Laszlo Dvorach und floh in den dichten Dschungel. Nasse Blätter streiften sein Gesicht. Irgendwo schlug krachend ein Blitz ein und erleuchtete für den Bruchteil einer Sekunde die Umgebung. Lange genug für Laszlo, um einen schmalen Pfad zu erkennen. Hinter sich hörte er Zweige brechen – die Liaweps und Olav Zürban hatten die Verfolgung aufgenommen. Verbissen hinkte der Weißmagier weiter, sollten sie ihn nur alle jagen! Umso besser war die Chance, dass Yasha und sein riesiger
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