Der Tanz Der Klingen
Schönheit war berauschend. Trudy verblasste in ihrer Gegenwart. Er selbst fühlte sich wie ein dummer Junge neben ihr. Nun verstand er das eigenartig sanftmütige Gebaren des »Großherzogs«. Sie sollte lernen, sich einer deftigeren Ausdrucksweise zu befleißigen.
»Ich danke Euch beiden.« Sie seufzte. »Meister Glockmann, meine Klingen können Ihren Eid nicht widerrufen, Ihr hingegen sehr wohl. Möchtet Ihr nun aus meinen Diensten treten?«
»Niemals, Hoheit!« Er war versucht hinzuzufügen, er würde ihr auf ewig unentgeltlich dienen, wenn sie ihm nur jeden Tag ein solches Lächeln schenkte. Der Schmerz, der sich hinter diesen betörenden Augen festgesetzt hatte, zerriss ihm das Herz. »Ich habe Euch vertraut, als ich bereits wusste, dass Ihr nicht wart, was Ihr zu sein schient, und jetzt vertraue ich Euch erst recht.«
Sie hingegen konnte ihm nie so vertrauen wie ihren gebundenen Klingen. Er konnte ihr uneingeschränkte Treue schwören und es mit ganzem Herzen meinen, dennoch wäre es ohne die Beschwörung nie dasselbe. Menschliche Treue war fehlbar.
»Schwester Gertrude?«
»Ich schließe mich Glockmann voll und ganz an, Hoheit! Das ist wunderbar!«
»Ist es das? Ist es das wirklich? Nein, es ist schlimmer als zuvor, denn ich bin nach wie vor eine Verbannte, und nun erfahrt Ihr obendrein, dass ich von gewöhnlicher Herkunft bin. Ich besitze weder Rang noch blaues Blut. Mein Gemahl ist tot oder ein Gefangener, ich weiß nicht, was von beidem. Mein kleiner Sohn ist entrechtet und schwebt in Todesgefahr, denn sollte sein Onkel ihn finden, wird man ihn zweifellos ermorden. Meinen Bemühungen, Unterstützung von den Herrschern Euraniens zu erhalten, war kein Erfolg beschieden – zumindest nicht bis jetzt und hier, im fernen Chivial. Euer König und Eure Königin waren wunderbar freundlich. Aber selbst sie werden froh sein, mich abreisen zu sehen.«
»Wieso?«, fauchte Raunzer.
»Weil der Tod mir überallhin folgt. Außerdem – wenngleich das in ihrem Fall weniger als andernorts zutrifft – weil ich nicht von adliger Geburt bin. Deshalb hat mir Euer König die königlichen Ehren verweigert, die er dem echten Großherzog entgegengebracht hätte. Mein Vater war ein gemeiner Ritter, Erich von Schale. So wie seine Vorfahren seit Generationen schuldete er dem Fürsten von Fadrenschloss, Baron von Fader, Ritterdienste. In seiner Jugend focht er unter dem Banner des Barons, doch in der Zeit, als ich ihn kannte, waren seine Tage als Krieger längst vorüber. Er war ein Landwirt, der seine Pferde selbst beschlug und dabei half, das Heu einzubringen. An meine Mutter kann ich mich kaum erinnern, weil sie bei dem Versuch starb, mir einen Bruder zu schenken. Sir Ringwald?«
»Hoheit?«
»Eure Geschichte hat mich zutiefst bewegt. Wie alt wart Ihr, als Euer Vater Euch nach Eisenburg brachte?«
»Fast dreizehn, Euer Gnaden.«
»Auch ich verlor meinen Vater, als ich erst zwölf Jahre alt war. Er schnitt sich in den Fuß, und die Wunde begann zu eitern. Hätte er den Baron um Hilfe gebeten, hätte dieser ihn mit Gold für eine Heilung nach Vamky geschickt, aber er war zu stolz, um zu betteln. Als der Baron die Kunde erfuhr und zu unserem Häuschen geritten kam, lag mein Vater auf dem Totenbett. Ernst gelobte, er würde sich um mich kümmern. Es war seine Pflicht als Lehnsherr, aber er meinte es aus ganzem Herzen, was unendlich mehr zählt. Ich zog in sein Haus, und er war unvorstellbar freundlich zu mir. Fadrenschloss war ein unzusammenhängender alter Ort, teils einstige Burg, teils neues Holzhaus, behaglich und trotzdem zu verteidigen. Der Baron hatte keine Familie mehr, folglich würde das Anwesen nach seinem Tod an den Großherzog zurückfallen. Zwei Jahre lebte ich dort. Natürlich habe ich um meinen Vater getrauert, dennoch waren es wundervolle Jahre.
Aber ich muss Euch auch über den Schurken der Geschichte berichten, Fürst Volpe. Er ist Rubins Onkel, jedoch nur ein Jahr älter als er. Sie wuchsen zusammen im Palast von Krupa auf, und ich habe ansatzweise erfahren, dass sie einander damals nicht leiden konnten. Volpe mag es widerstrebt haben, dass er, obschon älter, nicht der Erbe von Großherzog Hans war. Rubin wiederum mag sich vor Volpe geängstigt haben, denn der neigt zu Tobsuchtsanfällen, während Rubin eher … friedliebend ist. Mein Gemahl zieht es vor, einen Feind zu überlisten, statt gegen ihn zu kämpfen. Ich weiß, dass er seinen Onkel bisweilen zu beschuldigen pflegte, einer unehelichen Verbindung zu
Weitere Kostenlose Bücher