Der Tanz des Maori (epub)
Fotoalben herumwühlen und mich bedauern, wenn ich immer wieder ein paar Tränen loswerde. AuÃerdem kann ich mir so ein bisschen Zeit nehmen â¦Â«
Sina nahm ihre Mutter in den Arm. »Lass dir doch so viel Zeit, wie du willst. Und wenn du doch noch Hilfe brauchst, melde dich bei mir. Ich bin jetzt ja nicht mehr weit.« Sie lachte. Immerhin hatte sie beschlossen, erst einmal weiter bei ihren Eltern zu wohnen.
Das Einzige, was sie beunruhigte, war der merkwürdige Traum von dem wütenden Maori. Obwohl sie jetzt wieder weit weg von Neuseeland war, verfolgte er sie immer noch durch ihre Träume, und sie wachte fast jede Nacht mit rasendem Herzen auf. Was wollte dieser Mann? Was bedeutete dieser Traum? Aber sie wagte es nicht, ihre nächtlichen Erlebnisse mit irgendjemandem zu teilen. Katharina würde das sicher nicht verstehen. Oder ihr einfach nur empfehlen, vor dem Schlafen ein groÃes Glas Rotwein zu trinken. Und im hellen Tageslicht kamen Sina ihre Ãngste wegen dieser Bilder selbst albern vor.
Brandon zögerte. Vor ihm stand das Einfamilienhaus, in dem Sina aufgewachsen war und in dem sie im Moment wieder lebte, wie sie ihm geschrieben hatte. Er sah den Garten, der jetzt im Hochsommer ein wenig vertrocknet aussah. Ein gemauerter Grill, dahinter ein Wintergarten, in dem eine Liege mit einer dicken Decke auf jemanden wartete, der es sich ein bisschen gemütlich machen wollte. Alles sah auf eine sehr schnörkellose Art gemütlich aus. Er konnte sich gut vorstellen, dass sie in diesem Elternhaus eine glückliche Kindheit verlebt hatte. Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Nach knapp sechsunddreiÃig Stunden auf Reisen sah er bestimmt nicht mehr so überzeugend nach dem perfekten Schwiegersohn aus. Und die wichtigste aller Fragen: Würde Sina sich überhaupt darüber freuen, ihn endlich wiederzusehen? Sicher, seit Monaten hatte sie ihm geschrieben, wie sehr sie ihn vermisste. Gleichzeitig schien das Studium wirklich ihre komplette Zeit in Anspruch zu nehmen. Im Herbst stand das erste Staatsexamen auf dem Programm, dafür lernte sie Tag und Nacht. Was, wenn sein Ãberraschungsbesuch jetzt nicht in ihren Stundenplan passte? Dann war er völlig umsonst um die halbe Welt geflogen. Vorsichtig drückte er auf den Klingelknopf.
Eine Frau Mitte fünfzig öffnete und sah ihm nicht unfreundlich entgegen. »Ja, bitte?«
Brandon streckte seine Hand aus und hoffte einfach, dass Sinas Mutter Englisch konnte. Wenn diese Frau denn Sinas Mutter war! »Hallo. Ich bin Brandon. Ich wollte Sina besuchen â¦Â«
Für einen winzigen Moment sah die Frau überrascht aus. Dann breitete sich ein herzliches Lächeln in ihrem Gesicht aus. »Du bist Brandon!? Von dir haben wir schon so viel gehört! Komm doch herein!«
Während sie ihn ins Wohnzimmer führte, redete sie ohne Punkt und Komma weiter. »Sina ist im Moment in der Uni, kommt aber heute Nachmittag nach Hause â ich denke, in etwa zwei Stunden ist sie hier. Oder soll ich sie auf dem Handy anrufen?« Sie unterbrach sich und drehte sich zu ihm um. »Ich bin aber auch zu unhöflich! Willst du dich vielleicht erst einmal duschen? Du kommst doch direkt aus Neuseeland, oder? Sina hat gar nicht gesagt, dass du zu Besuch kommen wolltest!«
Endlich kam Brandon zu Wort. »Ich habe ihr auch nichts davon geschrieben. Ich wollte sie mit meinem Besuch überraschen ⦠ich bleibe ja auch nur ein paar Tage. Das mit der Dusche klingt wunderbar, aber wenn Sie erst einmal einen Kaffee für mich hätten, wäre ich wunschlos glücklich.«
Während Sinas Mutter den Kaffee machte, hatte Brandon Zeit, sie ein wenig zu beobachten. Sie sah ihrer Tochter nicht im Geringsten ähnlich. Eine kräftige, dunkelhaarige Frau mit schnellen Bewegungen und einer herzlichen Ausstrahlung. Er war schon gespannt auf den Vater. Vielleicht fand sich bei ihm ja mehr, was ihn an seine Sina erinnerte.
Als Sinas Mutter ihre erste Ãberraschung überwunden hatte, wurde sie ruhiger. Sie fing an, Brandon nach seiner Familie zu fragen. Er merkte schnell, dass sie offensichtlich nichts von den Problemen mit seinem GroÃvater erfahren hatte. Erleichtert erzählte er so völlig unbeschwert von seinem Vater, der Reederei und seiner Ausbildung zum Kapitän. Brandon fühlte sich bereits richtig wohl, als das Geräusch eines Schlüssels im Türschloss das Kommen von Sina
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