Der tanzende Tod
Hat jemand dir Stoff in die Ohren gestopft, als ich nicht hinsah? So wahr mir Gott helfe, aber angesichts der Dinge, die ich weiß, kann ich seinen Anblick kaum noch ertragen. Denkst du wirklich, dies bedeutet ein Opfer für mich? Schmeichle mir nicht.«
»Aber –«
»Wenn es der Wahrheit entspricht, dass wir beide das Beste für ihn wollen, dann würde dies für ihn bedeuten, weit entfernt von meinem Hause zu sein.«
»Aber du gibst ihn einfach so auf ...«
»Verdammnis, ich übergebe ihn einem Manne, der besser in der Lage ist, für ihn zu sorgen, als ich es jemals könnte. Ich kenne meine Grenze, Barrett, und ich habe sie bereits vor langer Zeit erreicht.«
»Da spricht der Brandy aus dir –«
»Verdammt sei der Brandy; ich versuche dieses eine Mal, das Richtige zu tun. Wenn du ihn nicht haben möchtest, dann werde ich jemand anders finden und ihn für den Gefallen, den er mir damit tut, segnen. Ich versuche, dem unehelichen Balg eine Möglichkeit zu geben, ein wenig Freundlichkeit und Liebe kennen zu lernen. In meinem Herzen ist davon nichts übrig; diese Metze, welche ich heiratete, trieb sie mir aus.« Er schleuderte das leere Glas durch den Raum. Obgleich er durchaus nicht in meine Richtung gezielt hatte, duckte ich mich dennoch instinktiv, als es an mir vorüberflog, so ungezügelt war die Gewalt hinter dieser Tat. Als Nächstes hob er die Brandyflasche hoch, und einen Moment lang schien er bereit, sie dem zerschmetterten Glase hinterherzuschicken, aber der Augenblick verstrich. Er fasste sich wieder und fiel zurück auf das Sofa.
»Willst du ihn oder nicht?«, fragte er, seine Stimme bar jeder Gefühlsregung außer einer tiefen Müdigkeit.
Ich musste über meine Antwort nicht lange nachdenken. »Ja, natürlich will ich ihn. Ich wäre mehr als entzückt, für ihn zu sorgen.«
»Gut.« Er nahm einen langen Zug direkt aus der Flasche. »Die Einzelheiten kannst du mit Mrs. Howard besprechen. Nimm sie ebenfalls mit, wenn du möchtest. Ich kann ihr ein hervorragendes Zeugnis ausstellen, wenn du dies brauchst.«
»Das wird nicht notwendig sein. Ich bin sicher, sie wird großartig mit uns auskommen.« Gott, der Mann musste wirklich außer sich sein, wenn er dachte, ich würde Richard von dem einzigen Menschen trennen, der seit der Wiege sein hauptsächlicher Quell für Zuneigung und Anleitung gewesen war. »Was ist mit Clarinda? Was, wenn Richard sie sehen möchte?«
»Nein.« In seiner Stimme lag eine Endgültigkeit, die mich an den Galgen denken ließ. »Deine Schwester und ich diskutierten dies bereits. Bis er alt genug ist, um es besser zu verstehen, ist seine Mutter krank, und damit Schluss.«
»Es ist schwer, seine Mutter niemals wieder zu sehen.«
»Ich nehme nicht an, dass ihm dies in Zukunft von großem Vorteil wäre, da er sie in der Vergangenheit äußerst selten gesehen hat.«
»Für Clarinda wird es ebenfalls schwer sein.«
»Das wäre es in der Tat, wenn er ihr nicht völlig gleichgültig wäre. Beide Kinder«, fügte er hinzu, womit er mich an das andere Kind erinnerte, welches im Internat war. Ich fragte mich, ob dieser Knabe ein wahrer Sohn von Tante Fonteyns Bruder war oder das erste von Clarindas Wechselbälgern. Aber jetzt war nicht die richtige Zeit, um nachzufragen. Außerdem stand seine Aussage in direktem Gegensatz zu dem Eindruck, den Clarinda mir bezüglich ihrer Gefühle für ihre Kinder vermittelt hatte, und verlangte Klarheit.
»Wie kann eine Mutter keine Zuneigung für ihre Kinder empfinden?«, sann ich laut, um ihn aus der Reserve zu locken. Selbst meine eigene Mutter, so verdreht sie in ihrem Gemüt und Herzen auch sein mochte, sorgte sich auf ihre Weise um ihre beiden Kinder. Schließlich hatte sie uns vor all den Jahren von ihrer schädlichen Gegenwart befreit. Nicht viel anders als das, was Edmond nun für Richard zu tun versuchte.
Seine Antwort war barsch, und es mangelte ihr an Interesse. »Frage sie irgendwann einmal danach; du wirst sehr bald herausfinden, dass sie für nichts außer sich selbst auch nur eine Spur an Interesse besitzt. Aber wenn es bei ihr anders aussähe, würde dies dennoch keine Rolle spielen. Sie verwirkte jedes Recht auf die Kinder, als sie ihren Mord verübte.«
Ich blickte die steinerne Büste auf dem Kaminsims an. Ein Impuls trieb mich dazu, sie herunterzunehmen und umzudrehen, um nachzusehen, ob der Sockel gekennzeichnet war, um anzuzeigen, wen sie darstellte. Es war weder Aristoteles noch Cäsar; die säuberlich eingravierte
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